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Glockengeläut, eine Oase und ein Kraal

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Sonntag Morgen pünktlich 6 Uhr werde ich nach dem täglichen Hahnengeschrei von angolanischer Seite durch Kirchenglocken geweckt. Durch das Schlagen eines Eisenklöppels auf eine hängende Radfelge werden Glockentöne mit angenehm weichem sonorem Klang erzeugt. Es stimmt mich feierlich.

Eine Familie mit zwei Kindern aus Deutschland möchte gern einen Kraal und die Kirche besuchen. Marcus und ich werden sie heute begleiten. Allerdings laufen wir nicht zu Fuß, da in der nahegelegenen Kirche eine Begräbnisfeier stattfindet. Zur Beerdigung kommt stets eine riesige Trauergemeinde zusammen. Alle Verwandten, auch weit entfernt Wohnende, verbringen sechs Tage zusammen mit ihrem Toten auf dessen Kraal bevor er am 7. Tag im Beisein von vielen weiteren Freunden beerdigt wird. Die Beerdigung ist richtig teuer. Es werden mindestens zwei Rinder geschlachtet und mindestens zwei 50-kg-Maissäcke benötigt, wie mir Marcus berichtet. In einer langen Prozession laufen sie zum nun sehr weit entfernten Friedhof. Der Friedhof wurde aus hygienischen Gründen aus der Flutebene in eine höher gelegene Region verlegt. 

Wir parken das Auto vor der Kayengona-Kirche. Die Kinder kommen sofort singend aus ihrer Kirche marschiert, um uns zu empfangen. Einen Teil des Gottesdienstes verbringen wir zusammen bei Gesang und Predigt in der Kirche. Anschließend marschieren alle rhythmisch klatschend nach draußen auf den Kirch-Vorplatz. Hier möchte uns ausnahmslos jeder Kirchgänger die Hand geben, bevor wir verabschiedet werden.

 

Wir halten uns in Moses Garten auf, bis Marcus und der Vater der Familie das Auto zum Parkplatz der Lodge gebracht haben. Moses ist Kellner und Touristenführer der Lodge und "wellknown and famos", bekannt und berühmt wie er lachend von sich sagt. Er wirkt bei der Serie "Um Himmels Willen" mit, die am Okavango gedreht wurde und in der Weihnachtszeit ausgestrahlt werden soll. Moses ist sehr arbeitsam, hat für sein eigens errichtetes Haus jeden Ziegelstein selbst in Handarbeit hergestellt. In seinem riesigen Garten baut er nicht nur Gemüse an sondern schmückt sein Grundstück auch mit Blumen. Das Erdreich besteht nur aus Sand und wird durch die jährliche Flut ausgelaugt. Mit Kuhdung, den er sich käuflich erwerben muss, bessert er den Boden auf. Spinat, Mengen von Zwiebeln, Karotten und Rote Beete erntet er zur Zeit. Die Bohnen sind inzwischen kiloweise abgeerntet, für die nächste Aussaat hat er sich ein großes Tablett von Samen aufbewahrt. Ebenso zeigt er mir einen Sack Knoblauchzehen, die er demnächst stecken wird. An Bäumen und Stauden hat er in seiner Oase verteilt: Papaya, Mango, Granatapfel, Apfel, Banane. Ohne Wasser, ohne Dung und viel eigener Energie wächst nichts auf dem ausgedörrten, ausgelaugten Sandboden nahe des Flusses. Mit einer Dieselpumpe füllt er zweitägig sein 500-Liter-Wasserfass aus dem Fluss. 

Gleich gegenüber von Moses Garten erleben wir pure Armut. Nicht nur für die Kinder der deutschen Familie ist es ein Schock, dies zu sehen. Wir dürfen in das Kinderzimmer blicken. Der Raum ist maximal 2 mal 2 Meter groß. Ganz in der Ecke ducken sich ein paar Hühner zusammen. Wenigstens legen sie ab und an ein paar Eier, denke ich mir. Aber wo finden die Hühner etwas zu picken? "Wo schlafen die vier Kinder?" "Hier auf dem Boden, Die Betten liegen vor der Hütte", meint Marcus und zeigt auf einen überschaubaren Haufen mit dünner schwarzer Kartoffelsack-Folie, die wohl als 'Matratze' dienen soll und ein paar zerlumpten Tüchern als Bettdecke. Für uns unvorstellbar, für die Familie jetzt in der warmen Jahreszeit okay, aber was ist in der Winterzeit, wenn nachts Kältegrade herrschen und wie letztes Jahr sogar die Bananenstauden in Moses Garten erfrieren? Zum Abschied dürfen die beiden Mädchen aus Deutschland im Kraal Hirse zu Mehl stampfen. Für die Kinder aus Mayana gehört das zu ihrer regelmäßigen Arbeit neben dem Wassertragen vom zum Teil vier bis sechs Kilometer entfernten Fluss. Marcus berichtet, dass die Kleinen einen 5 Liter Kanister tragen müssen, die Größeren erst 10 und später dann 25 Liter. 

Die Kinder aus Deutschland sind müde und durstig. Was geht ihnen durch den Kopf, wenn sie heute Abend in ihr gemütliches Bett steigen?

 

Zum besseren Verständnis: 

Moses ist sehr fleißig. Er hat es auch verstanden, mit Weitblick ein gutes Stück Land zu sichern und steht in Arbeit. In vielen Familien sind die arbeitsfähigen Mütter an AIDS verstorben. Manch eine Großmutter ist krank und muss das Essen für ihre Enkel und Urenkel erbetteln. Wer arbeiten kann, bewirtschaftet sein Feld während der Regenzeit. Wer kein Feld besitzt, verdingt sich auf dem Feld des Nachbarn. Kinder müssen regelmäßig mit der Hacke auf dem Feld mitarbeiten. In der Trockenzeit wird das Wasser kilometerweit vom Fluss zum Kraal herangeschleppt. Dort ist es unmöglich, ohne Zugang zum Wasser Gemüse anzubauen.

 

 

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