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Nackte Banker
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In Hans Christian Andersens Märchen "Des Kaisers neue Kleider" lässt sich ein Regent dank seiner Eitelkeit und Leichtgläubigkeit von zwei Betrügern über den Tisch ziehen. Für viel Geld schneidern ihm die beiden Nepper scheinbar schöne Gewänder auf den Leib und behaupten, ihre Mode könne nur von jenen gesehen werden, die ihres Amtes würdig seien. Am Ende steht der Monarch nackt vor seinem Volk und ist blamiert bis auf die Knochen.
Man weiß nicht, ob der Niederländer Daan Roosegaarde das berühmte Andersen-Märchen im Kopf hatte, als ihm eine verwegene Idee durch den Kopf ging. Fakt ist: Für den Mittdreißiger erscheint die Vorstellung nicht abwegig, dass sich jemand angezogen fühlt und dennoch nackt vor seinem Gegenüber steht. Vielmehr ist das der Stoff, aus dem die Träume sind. Roosegaardes Träume.
Der Designer, der sich selbst als Hippie mit Geschäftsplan bezeichnet, arbeitet derzeit an einem besonderen Anzug für Geschäftsleute: Sie werden durchsichtig, wenn ihr Träger flunkert. Quasi ein konfektionierter Lügendetektor. Möglich machen sollen es sogenannte Smart Fabrics, also intelligente Textilien, für die Roosegaarde in den vergangenen Jahren ein besonderes Gespür entwickelt hat. Bereits vor drei Jahren stellte er erste Kleider unter dem vielsagenden Namen "Intimacy" vor. Sie bestehen neben ledernen Elementen und Sensoren aus speziellen Folien, die umso transparenter werden, je schneller das Herz ihrer Trägerin schlägt. Eine Eigenschaft, die vor allem auf den roten Teppichen zwischen Tokio und Hollywood voll zur Geltung kommen soll. Kein Wunder, dass Roosegaarde bisher gar nicht erst gefragt wurde, was das kostet, sondern wie schnell er liefern kann.
Ob das Interesse an seinem geplanten Lügendetektor-Anzug einmal ähnlich groß sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Potenzielle Kunden könnten sich nach Ansicht von Roosegaarde vor allem in der Bankenwelt finden. Immerhin würde der Umstand, dass so ein smarter Anzug beim Beratungsgespräch undurchsichtig bleibt, die besondere Glaubwürdigkeit des Beraters unterstreichen. Und man wüsste, was man im 21. Jahrhundert unter dem Begriff "ehrliche Haut" versteht.
» Internet: www.studioroosegaarde.net
Von Ronny Strobel
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