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Außer Kontrolle

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Deutschlands Jugend macht sich gerne nackig. Zumindest im Internet. Das, was früher das sorgsam verschlossene Tagebüchlein unterm Kopfkissen war, ist heute das täglich gewartete Profil auf Internet-Plattformen wie StudiVZ oder Myspace. Befindlichkeiten, die man sonst mit sich selbst ausmachte, bemüht, die lästige Elternschaft außen vor zu lassen, werden heute in aller Öffentlichkeit ausgebreitet. Das ist mitunter befremdlich. So weiß man nach drei Klicks,
wie der neue Schwarm von Susi Sorglos heißt, oder dass Benno Brummschädel den Countdown zum wochenendlichen Tanzvergnügen in der Dorfdisco gern mit "hartem Vorglühen" verbringt.

Die Bundesregierung schlägt die Hände über dem Kopf zusammen bei so viel Arglosigkeit und sieht sich nun in der Pflicht, die außer Kontrolle geratene Jugend, die sich in der vermeintlichen Anonymität des Netzes so wohl zu fühlen scheint wie Exhibitionisten in spärlich beleuchteten Parkanlagen, auf die Gefahren unbedarften Surfens hinzuweisen: Webman heißt die neue Geheimwaffe im Kampf gegen zeigefreudige Teenager. Allein die kreative Energie, die bei der Namensfindung gewirkt haben muss, lässt die Finger auf der Tastatur einschlafen. Webman zehrt von der verblüffenden, phonetischen Verwandtschaft mit Batman, jener menschlichen Fledermaus, die böse Buben aus dem Verkehr zieht und mit schwarzem Cape und dunklen Geheimnissen gut ankommt. Webman hingegen trägt lila Spandex über der schmalen Brust und hat seine Haare aus mutmaßlich hippen aber schwer nachvollziehbaren Gründen pink gefärbt. Seine Superkräfte sind ein "doppelter Doppelklick und Papierkorb-Action", so steht es auf der neuen Homepage von "Watch your web", der Aufklärungskampagne, die seit letzter Woche in Zusammenarbeit mit den Musiksendern MTV und VIVA sowie der Telekom anrollt. Vor Internet-Voyeuren will man mithilfe des zielgruppennahen Maskottchens warnen, vor Datenspionen und Computerhackern, kurz: "dem Bösen im Netz". Abziehbildtauglich wird das repräsentiert durch Data-Devil, den durchaus nachlässig gezeichneten Antipoden, dessen einziges Gefahrenpotenzial darin besteht, dass so mancher jugendliche Internetfreund vor Lachen den Schreibtischstuhl besudeln wird.

Dabei ist "Watch your web" eigentlich eine logische und nützliche Initiative. In Anbetracht der Tatsache, dass jeder Zweite der 12- bis 19-Jährigen täglich viel Zeit in sozialen Netzwerken verbringt und sechs von zehn bedenkenlos private Fotos hochladen, die offen einsehbar sind. Das Problem ist die anbiedernde Form, mit der hier vorm Datenmissbrauch durch Dritte gewarnt wird. Mit der Lebenswelt junger Menschen haben so plumpe Aufklärungsversuche wenig zu tun. Demnächst gibt es dann wohl den Sweatman, der auf die Bedeutsamkeit von Hygiene während der körperlichen Umbrüche der Pubertät aufmerksam macht, oder den Bedman, der bei ersten sexuellen Gehversuchen zur Seite steht. Man darf getrost erröten, ob solcher Schmalspursuperhelden im Breitbandmillieu.

www.watchyourweb.de


Von Ulrike Nimz

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