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Ein Star und die Frage: Ab ins Gefängnis?
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Zum dritten Mal während der vergangenen fünf Jahre, in denen ich mich um die Anliegen der Leser kümmere, habe ich mir, obwohl mich eine innere Stimme mit deutlichen Worten davor gewarnt hat, ein Video mit dem Gewinner der jüngsten Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" im Netz angeschaut. Weil ich ein auch nach Stichworten geordnetes Archiv meiner Blogeinträge führe, habe ich, bevor ich mich für dieses heutige Thema entschieden habe, mir die beiden anderen Clips noch einmal angeschaut mit dem Ergebnis, dass ich zu meinem eigenen Schutz den Namen der beiden Gewinner und die Titel der Songs verschweigen werde. Bei dem dritten geht das natürlich nicht, weil es schließlich gerade darum geht. Leser hatten mich angerufen und mir geschrieben, nachdem ihnen der Artikel "Superstar Severino hat Ärger mit Gesetz" (am Dienstag auf der Seite "Kommentar & Hintergrund") in die Nase gefahren war. Also habe ich mich bei meinen Kollegen in der Online-Redaktion informiert und war dem Tipp gefolgt, den Link der Homepage von "Deutschland sucht den Superstar" anzuklicken, mit dem Resulat, dass ich mir das Video angeschaut und angehört habe, wie Severino den Song "Hero of my heart" singt.
Wen es interessiert, möchte ich mein musikalisches Urteil nicht verschweigen: "Hero of my heart" entspricht von der Melodie und vor allem vom Arrangement her genau dem Bild, das automatisch vor meinem geistigen Auge auftaucht, wenn ich an den Komponisten Dieter Bohlen denke: Ich sehe eine Maschine, man schmeißt ein paar sprachliche (natürlich englische) Floskeln aus dem Fach "Herzschmerz" hinein, drückt die Tasten "Gleitmittel-Harmonisierung" und "Dudel-Faktor" und wartet, was am Ende rauskommt, worauf es doch ankommt, musikalisch gesehen. Zu diesem Urteil aber stehe ich auch: Eine klasse und vor allem in den Nuance variantenreiche Stimme hat Severino auf jeden Fall, und das Potenzial würde für echt gute Songs mehr als ausreichen. Zurück zum Thema:
Severino Seeger, hat Ärger mit der Justiz. Er muss sich demnächst wegen Betruges vor einem Landgericht verantworten; er soll Mitglied einer Bande gewesen sein, die Kreditkartenbetrug an älteren Menschen begangen haben soll. "Ich muss mich dafür verantworten", hatte Seeger bereits am Sonntag gesagt. Doch weiter wollte er sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Der Schaden der durch Seeger verübten Taten beläuft sich laut Anklage auf knapp 19.000 Euro, ältestes Opfer sei eine 88-jährige Seniorin gewesen. Nach seiner Festnahme vor etwa anderthalb Jahren saß er knapp drei Wochen in Untersuchungshaft. Der Prozess gegen den 28-Jährigen soll am 2. Juni beginnen.
Das alles aber hat die Leser nicht geärgert, niemand vertrat - weder am Telefon noch per Mail - die Meinung, dass ein geständiger Straftäter nicht an der Castingshow hätte teilnehmen dürfen. Es war etwas anderes, was die Leute gewurmt hat, einige sparten nicht mit deutlichen Worten aus dem Wortschatz, der bei mir auf dem Index steht. Deshalb beschränke ich mich auf einen Kommentar, um zu verdeutlichen, worum es mir geht. Zunächst die Passage, die den Unmut verursacht hat, denn in dem letzten Absatz von "Superstar Severino hat Ärger mit Gesetz" heißt es: "Mehrere Mitglieder der Gruppe wurden bereits zu Freiheitsstrafen verurteilt. Der Prozess gegen Seeger scheiterte zunächst an der Erkrankung des Richters. Später wurde er in Anbetracht der bevorstehenden Show-Teilnahme auf die Zeit danach verschoben."
Ein Leser meinte: "Aus Rücksicht auf die Teilnahme des mutmaßlichen Täters an einer sozialverträglich fragwürdigen Castingshow wurde der Prozess verschoben. Wer denkt dabei bitte an den Opferschutz? Hat jemand das 88-jährige Betrugsopfer gefragt, ob sie Zeit hat zu warten, bis ihr Betrüger den Möchte-gern-Star gespielt hat? In der Kindererziehung wird eine entschlossene und zeitnahe Umsetzung von angemessenen Konsequenzen gefordert, aber vorgelebt wird im gesellschaftlichen Alltag etwas völlig anderes. Für strafbares, noch dazu moralisch völlig verwerfliches Verhalten wird hier Kuscheljustiz betrieben. Wo ist dabei die abschreckende Wirkung für andere? Der Sinn dabei ist vorher zum Nachdenken über mögliche Konsequenzen des Handelns anzuregen. Mit dieser Methode erreicht man höchstens das Gegenteil, was leider in der heutigen Gesellschaft mit dem Werteverfall schon deutlich zu spüren ist."
Den Anrufern, die eine ähnliche Meinung vertraten oder zu dem gleichen Urteil kamen, habe ich nicht widersprochen.
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