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Das Meer und die Frage: Noch weit?
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Es ist mal wieder soweit, es lässt nicht leider nicht vermeiden, so schlimm finde ich es eigentlich gar nicht, es ist auf jeden Fall mal eine Abwechslung: Das Thema, um das es mir heute geht, lässt sich am besten erklären und gewissermaßen zusammenfassen, wenn ich eins der Gespräche, die ich zwischen zehn und zwölf mit Lesern deswegen geführt habe, wörtlich im Dialog wiedergebe. Weitere Erklärungen sind nicht erforderlich, und nachdem der Mann in der Leitung sich vorgestellt hatte, verlief die Unterhaltung folgendermaßen (die Rollenverteilung ist klar, auf eine optische Unterscheidung oder anderweitige Kennzeichnung möchte ich deswegen verzichten):
"Ich war heute bei Thalia."
"Der Buchhandlung."
"Richtig, und habe mir, weil das gerade großen Spaß macht bei dem Angebot, drei Bücher vom Wühltisch mit den Sonderangeboten gekauft, aber drei sind sie nämlich nochmals billiger."
"Kenn ich, dieses Vergnügen, ich kann da auch nicht einfach so vorbeigehen."
"Auf jeden Fall habe ich an der Kasse diesmal nicht gesagt, dass ich keine Plastetüte brauche, sondern habe mir die Krimis in eine einpacken lassen."
"Also sind sie sonst ein umweltbewusst lebender Zeitgenossen."
"Das stimmt, in den Supermarkt gehe auch immer nur mit Einkaufstasche oder Stoffbeutel."
"Löblich, löblich, ich ..."
"Aber ich will auf etwas Anderes hinaus."
"Ich unterbreche Sie nicht mehr."
"Das wäre nett. Also ich bin dann nach Hause gegangen, habe mich mit einem Besenstil ausgerüstet und bin runter zur Chemnitz gegangen."
"Sie meinen den Bach."
"Also, ich bitte Sie, die Chemnitz ist ein Fluss."
"Entschuldigung."
"Also ich wohne da in der Nähe des Stadtbades, man kommt da ganz gut ans Ufer ran. Also habe ich die leere Plastetüte ins Wasser geworfen."
"Was haben Sie? Ich dachte, Sie ..."
"Nun warten Sie doch mal ab, ich erkläre Ihnen schon noch, warum ich das gemacht habe,"
"Sorry."
"Ich habe die Plastetüte nicht einfach reingeworfen, sondern sie mit Hilfe des Besenstils ganz langsam in der Flussmitte dem fließenden Wasser übergeben, damit sie nicht gefahrläuft, bereits nach wenigen Metern das Ufer zu berühren."
"Und das soll eine weniger schwerwiegende Umweltsünde sein?"
"Darum geht es doch gar nicht. Lassen Sie mich es doch in Ruhe erklären."
"Ich bitte darum."
"Ich habe die Plastetüte nämlich verschlossen, nachdem ich einen Zettel hineingelegt habe, auf den ich geschrieben hatte, dass derjenige, der dies liest, mir eine Karte schicken kann mit seiner Kontonummer, und ich überweise ihm dann zehn Euro."
"Nun verstehe ich gar nichts mehr."
"Das ist doch nicht schwer zu verstehen, das ist wie bei den Luftballons mit den Grußkarten, ich will ganz einfach herausbekommen, wie weit es die Plastetüte schafft im weiteren Flussverlauf."
"Sie meinen, bis sie irgendwo hängenbleibt oder einfach versinkt und auf dem Grund liegen bleibt."
"Ganz genau, denn ich möchte herausbekommen, ob sie es bis in die Nordsee schafft."
"Wie bitte?"
"Das ist doch ganz einfach: Die Chemnitz fließt in die Zwickauer Mulde, die sich mit der anderen zur vereinigten Mulde trifft, die dann in die Elbe fließt, die dann, unter anderem nach dem sie Schleusen und den Hamburger Hafen hinter sich gelassen hat, in die Nordsee strömt, die den Status eines Meeres hat."
"Das glauben Sie doch wohl selbst nicht."
"Eben."
"Wie meinen?"
"Jetzt verstehen Sie endlich, worauf ich hinaus möchte: Keine einzige Plastetüte, die Sachsen oder meinetwegen auch Thüringen oder Bayern oder Hessen auf welche Art auch immer in einem fließenden Gewässer landet oder sogar mit Vorsatz dort entsorgt wird, schafft es auf dem Flussweg bis ins Meer, da bin ich mir ziemlich sicher, und deswegen bin ich auf die Idee gekommen, diesen Test mit der Pladtetüte und der Karte zu starten und beides der Chemnitz anzuvertrauen."
"Also, vermutlich habe ich jetzt verstanden, was Sie meinen, nur weiß ich immer noch nicht, warum Sie mich angerufen haben."
"Da haben Sie offensichtlich Ihre eigene Zeitung heute nicht so genau gelesen."
"Klären Sie mich doch bitte auf, ich kann es kaum noch erwarten."
"Ich zitiere aus dem Artikel aus dem Artikel 'Plastiktüten kosten ab April Geld' den ersten Absatz: 'Sie zersetzen sich kaum, zerstören die Natur und bringen Fischen und Vögeln den Tod: Plastiktüten. 76 Einkaufstüten verbraucht jeder Bundesbürger derzeit pro Jahr - und die meisten Beutel landen im Meer.' Verstehen Sie jetzt, was ich meine?"
"Ich beginne, es zu erahnen, aber jetzt mal unter uns und Hand aufs Herz: Haben Sie die Plastetüte wirklich auf die Reise geschickt?"
Der Mann in der Leitung hat gelacht, mir noch einen schönen Tag gewünscht, sich verabschiedet, aufgelegt und mich mit der Frage allein gelassen: Hat er Recht mit der Kritik an dieser Aussage in dem Artikel, in dem es eigentlich um die Bemühungen geht, die Menge an Plastemüll in den Weltmeeren deutlich zu verringern? Ich bin noch in der Phase des Nachdenkens, ein abschließende Einschätzung steht deshalb noch aus.
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