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Das hat er nicht verdient, der Wolf

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Betriebsblindheit gehört zu den Dingen, vor denen ich mich fürchte, weil ich mir nur ungern vorwerfen lassen möchte, diese eine Sicht auf einen Sachverhalt zu haben, nur weil ich aus der Perspektive eines Journalisten meinen Blick darauf geworfen habe, ohne eine andere überhaupt erst in Erwägung zu ziehen. Zum Glück passiert es eher selten, dass ich mich selbst dabei ertappe, etwas nicht erkannt zu haben, obwohl mir meine innere Stimme es eigentlich hätte mitteilen müssen, dies aber nicht getan hat, weil nicht als der Mensch, der ich nun mal bin, zu mir gesprochen hat, sondern der Redakteur, der darauf aus ist, etwas in die Zeitung zu setzen, dass die Leser interessiert und dass sie sich darüber freuen, etwas Neues erfahren zu haben, dass im besten Fall ihr Leben bereichert. Heute aber ist es geschehen, und ich möchte darüber berichten, ohne dass es wie eine Entschuldigung oder eine Rechtfertigung kling dafür, dass ich am Ende des Gesprächs mit einer Anruferin gesagt habe: "Das stimmt, sie haben Recht, das habe ich nicht so gesehen, obwohl ich es hätte angesichts meiner Weltanschauung eigentlich erkennen müssen." Darum ging es.

"Ich kann nicht anders, ich muss Sie einfach anrufen, weil ich sonst gar nicht wieder zur Ruhe komme und mich immer mehr darüber aufrege, dass ich diesen Artikel in Ihrer Zeitung gelesen habe", sagte die Frau in der Leitung und nannte mir, aber erst nachdem sie meiner Bitte nachkam, der Reihe nach zu erzählen, mit "'Hass-Wölfe' vor der Frauenkirche" die Überschrift des Bildartikels, der sie so verärgert hat. Vor der Dresdner Wahrzeichen hat der Künstler Rainer Opolka mit der Aufstellung von 66 "Wolfsmenschen" begonnen. Das Rudel von Skulpturen stehe symbolisch für Hasser, Brandsatz-Werfer, Neonazis, wütende Pegidisten und AfDler, die auf Flüchtlinge schießen wollen, hatte der Mann im Internet die Aktion angekündigt. An dieser Stelle empfehle ich einen Blick auf die Homepage des Projekts.

Die Leserin meint: "Wie kann man nur ein Tief wie den Wolf für diese Botschaft missbrauchen und es darstellen, als wäre es ein von niederen Instinkten getriebenes Raubtier, dass nur drauf aus ist, anderen Gewalt an tun. Wer diese Tiere, die als hoch intelligent gelten und in funktionierenden sozialen Verbänden leben, als Hassträger für menschliche Verfehlungen nutzt, kann bei mir auf keinerlei Verständnis dafür hoffen und muss sich den Vorwurf gefallen lassen, selbst von durchaus zweifelhaften Motiven dazu veranlasst worden zu sein. Der Künstler hat offensichtlich ein völlig veraltetes Bild vom Wolf und benutzt dies für eine Art von Propaganda, die ich scharf verurteile, ohne mich auch nur ansatzweise auf die Seite zu stellen, die in Dresden jede Woche auf die Straße gegen und gegen Ausländer und Flüchtlinge hetzen. Der Künstler lässt sich von einem völlig veralteten Klischee leiten und spielt damit höchstens den Jägern in die Hände, die sich nun wieder die Hände reiben dürfen, weil sie den Wolf am liebsten grundsätzlich erschießen würden. Das Verhalten der Tiere mit dem zu vergleichen, was die Menschen bei dem Brand in Bautzen oder vor dem Flüchtlingsbus in Clausnitz an den Tag gelegt haben, ist für mich an Verwerflichkeit kaum zu übertreffen."

Die Anruferin ist alt und hat mich versichert, dass sie nicht mehr in der Lage ist, einen Leserbrief zu schreiben, den ich dann veröffentlichen könnte. "Bitte tun Sie mir den Gefallen, wenn Sie die Möglichkeit haben, meine Ansicht öffentlich zu machen, würden Sie mir einen großen Gefallen tun, dann kann ich wenigstens ein wenig wieder zur Ruhe kommen."

Dieser Blogeintrag ist mein Versuch, der Anruferin zu helfen, denn ich bin davon überzeugt: Sie hat uneingeschränkt recht, die Aktion mit den Wölfen ist völlig daneben; Alternativen hätte es zur Genüge gegeben.

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