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Die Sorgen einer 97-Jährigen

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Damit ich meinen guten Vorsatz nach dem Ende der Sommerpause, möglichst täglich in meinem Blog von aktuellen Gesprächen mit Lesern zu berichten, nicht gleich wieder aus den Augen verliere, ist mir heute nach der Unterhaltung mit einer Anruferin diese Idee gekommen: Künftig werde ich - übrigens neben vielen anderen Bewertungs- und Einordnungskriterien - den "Schmunzel-Faktor" einführen und dann um kurz nach zwölf die Kurzprotokolle nach dem höchsten Wert durchsuchen. Heute war es dieser Anruf:

"Ich mache mir ernsthaft Sorgen", begann die Leserin die Schilderung ihres Problems. Zunächst aber informierte sie mich (komplett in ganzen Sätzen mit niemals mehr als einem Nebensatz und immer in der richtigen Reihenfolge von Subjekt, Prädikat und Objekt) darüber, dass sie 97 Jahre alt ist, einen eigenen Haushalt mit nur wenig Unterstützung von nahen Angehörigen führt und seit mehr als 60 Jahren zu den Lesern der "Freien Presse" gehört. "Mein Tag beginnt immer mit dem gleichen Ritual: Ich trinke Kaffee, und das mit Koffein, falls sie denken, in meinem Alter würde ich darauf verzichten müssen, und lese dabei meine Zeitung; von vorne bis hinten, nur bei dem Sportteil genehmige ich mir manchmal ein flüchtiges Überfliegen", fügte sie noch hinzu. Dann schilderte sie mir diese Begebenheit:

"Ich stand beim Bäcker vor dem Tresen, als ich hörte, wie drei Frauen hinter mir sich angeregt unterhielten und beklagten, dass in unserem Wohngebiet seit einigen Tagen deutlich mehr Durchgangsverkehr zu beobachten ist und dass man sich nun frage, was der Grund dafür ist und wie lange man Lärm und Gestank ertragen müsse", berichtete mir die Frau in der Leitung und fuhr fort: "Nur einen Moment lang habe ich überlegt, ob ich mich einmischen soll, doch dann habe ich über meine Schulter hinweg gesagt: Das hat etwas mit der Baustelle im Zentrum zu tun, weil der Verkehr umgeleitet werden muss und diese Strecke jetzt zwei oder vielleicht auch drei Wochen an unseren Häuser vorbeiführt." Zunächst hätten die Damen sie verwundert angeschaut, dann habe die eine sie gefragt: "Und woher wissen Sie das?" In diesem Moment habe sie sich dann ganz umgedreht und gesagt: "Aus der Zeitung, vor einer Woche stand ein langer Bericht darüber im Lokalteil." Tatsächlich habe sie sich anschließend mit etwas Genugtuung noch mit den drei Frauen darüber unterhalten, wie wichtig und sinnvoll es trotz des Internet und aller elektronsicher Massenmedien es ist, täglich eine Regionalzeitung wie die "Freie Presse" zu lesen. Verschweigen möchte ich in diesem Zusammen nicht, dass wir beide uns noch eine Weile lang darüber unterhalten haben, wie man mehr Menschen dazu bewegen könnte, wieder der Zeitung als wichtige Quelle für lokale Informationen zu vertrauen. Dass in unserem Verlagshaus eine ganze Abteilung unentwegt sich bemüht, neue Leser zu akquirieren, hat sie zwar zur Kenntnis genommen, sich diesen Schlusssatz aber nicht verkneifen wollen: "Trotzdem, junger Mann, geben aus Sie sich die größte Mühe."


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