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Für mich nur eine halbe Portion

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Als ich vor einigen Tagen den Artikel mit der Überschrift "Wer nicht aufisst, zahlt extra" auf der Titelseite der "Freien Presse" gelesen habe, meldete sich meine grüne Seele und meinte: Gute Idee, wieder ein bemerkenswerter Vorschlag, wie verhindert werden kann, dass unverdorbene und deshalb genießbare Lebensmittel auf dem Müll landen. Der Wirt eines Stuttgarter Sushi-Restaurants verhängt seit kurzem eine Strafe, wenn sein Gäste aufstehen und gehen wollen, obwohl der Teller noch nicht leergegessen ist. Wer bei seinem Angebot "Taste 120" noch Reste übrig lässt, muss einen Euro extra zahlen. Damit ist er längst nicht allein, las ich in dem Bericht mit Verwunderung weiter, auch in anderen Städten gibt es bereits Restaurants mit einer Gebühr für Essensreste. Nun denn, dachte ich mir, mal sehen, wie die Leser darauf reagieren. Von diesem Anruf möchte ich berichten:

"Ich kann Ihnen sagen, wie das Problem größtenteils gelöst werden kann", meinte die Frau in der Leitung und fügte hinzu, bevor ich überhaupt erstmals zur Sache selbst etwas sagen durfte: "Ich bin 79, und ich weiß, wovon ich rede."  Dass ich nun tatsächlich neugierig geworden sei, nahm sie kommentarlos zur Kenntnis und blieb auch weiterhin bei ihrem betont selbstbewussten Unterton in der Stimme, als sie mir sagte: "Die Diskriminierung der alten Menschen in den Restaurants muss endlich aufhören." Nun hatte sie meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit, bei diesem Wort läuten meine in Jahren dafür sensibilisierten Alarmglocken. Also sagte ich: "Das müssen Sie mir jetzt aber mal genauer erklären."

Was die Leserin auch getan hat: "Ganz einfach: Auf die Speisekarten aller Restaurants - ich betone: Häuser, die diese Bezeichnung auch verdienen - gehört ein Senioren-Teller." Ich schwieg, meine ersten Gedanken bei diesem Stichwort wollte ich doch lieber für mich behalten. Drei Sekunden lang passierte nichts, dann erklärte sie mir, offensichtlich von meiner Unwissenheit in solchen Fragen überzeugt, weiter: "Den Kinder-Teller finden Sie fast auf jeder Speisekarte, weil alle Welt weiß, dass Kinder eben nicht so viel essen. Aber bei den alten Leuten ist das häufig genauso: Man hat manchmal einfach nicht mehr so großen Appetit und ist aus anderen Gründen ein wenig unpässlich, weshalb man sich freuen würde, wenn man nur eine halbe Portion bestellen und dann schließlich auch bezahlen könnte." Das war mir neu, von diesem Phänomen hatte ich noch nie etwas gelesen, weshalb ich nach einer mehr oder weniger klugen Erwiderung suchte, um der Anruferin zu signalisieren, dass sie mit ihrem Einwand bei mir auf jeden Fall an der richtigen Adresse ist. Was ich dann gesagt beziehungsweise gefragt habe, hat aber leider dazu geführt, dass die Unterhaltung kurze Zeit später beendet wurde; die Frau wurde eher einsilbig und hat sich nach wenigen Worten dann auch verabschiedet. Ich gestehe: "Dann ist das also so ähnliches wie die senile Bettflucht?", habe ich gefragt.

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