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Kein Krempel, sondern Artefakt
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"Ich habe beim Aufräumen unseres Dachbodens eine alte Zigarettenschachtel gefunden", informierte mich heute ein Leser und erklärte mir weiter, dass es sich "bei dem ganzen Krempel" um Sachen gehandelt hat, die seine Großeltern irgendwann mal dort eingelagert hatten, vermutlich "in den siebziger Jahren", und um die man sich erst jetzt gekümmert und fast alles weggeschmissen habe, weil man jetzt selbst den Platz brauche für die Dinge, "die man vermutlich nie wieder braucht, aber auch nicht einfach wegschmeißen kann". Er fragte mich: "Sie verstehen, was ich meine?" Nachdem ich mit dem Hinweis "Sie sollten mal meine Wohnung sehen" geantwortet hatte, fuhr der Mann fort und sagte: "Und deshalb rufe ich nun an, wegen dieser Zigarettenschachtel." An dieser Stelle machte er eine Pause, vermutlich mit der Absicht, darauf zu warten, wie ich auf diesen sensationellen Fund reagieren würde, doch leider musste ich ihn enttäuschen: "Tut mir leid, aber ich weiß nicht, worauf Sie hinaus wollen, ganz sein, dass ich auf der Leitung stehe, bitte klären Sie mich doch auf", sagte ich, woraufhin ich zuerst einen lauten Seufzer hörte, dann diese Worte: "Ey Mann, das ist eine Reyno-Schachtel von vor 40 Jahren, das ist doch wie so eine kleine Sensation, finden Sie nicht?"
An dieser Stelle kürze ich die Unterhaltung ab und erkläre den Sachverhalt beziehungsweise den Grund, warum der Leser mich angerufen hatte: Er hatte vor etwa drei Wochen die Fotonachricht mit der Überschrift "Geschichte schnuppern im Kanzlerbüro: Als wäre Helmut Schmidt noch da" in der Zeitung gelesen." In dem einstigen Kanzleramt in Bonn, in dem heute das Bundesentwicklungsministerium ist, kann man ab nächstes Jahr das originale Büro von Helmut Schmidt während seiner Kanzlerschaft von 1974 bis 1982 besichtigen. Abschließend heißt es in dem Text unter der Bildkombination: "Neben den Möbeln, Büroausstattung und Erinnerungsstücken ist auch Schmidts Aschenbecher dabei. Und die Mentholzigaretten, die er so liebte – allerdings war davon wohl kein Original mehr aufzutreiben." Mit dem Ministerium hatte der Mann in der Leitung schon telefoniert, bei dem Herstellen des Kontaktes musste ich ihm also nicht behilflich sein, sein Anliegen war dies: "Meinen Sie nicht, dass es eine tolle Story für die Zeitung wäre, meine Reyno-Schachtel - ein Dokument der Zeitgeschichte?"
Dies ist ein Geständnis: Ich hätte diese Geschichte von dem nach Tabak riechenden Artefakt niemals erzählt, weil sie auf der nach oben offenen Skala der Bewertungskriterien von Themen für Blogeinträge nur auf eine 3,2 kommt, wenn sie nicht ein Ablenkungsmanöver wäre. Soll heißen: Es geht mir heute eigentlich um etwas ganz Anderes. Aber ich möchte, weil dieses Thema eventuell als etwas heikel eingestuft werden könnte, dass es zum einen nicht "ins Auge springt" und von Suchmaschinen allein wegen der Überschrift erfasst wird, und zum anderen sich nur der Leser damit auseinandersetzen soll, der ein gewisses Interesse für meinen Blog an sich hat und es deshalb auch stets bis zum Ende schafft; das empfinde ich als so etwas wie eine Vertrauensebene. Also:
Zwei Anrufer hatten seit Montag meine Nummer gewählt, weil sie meinten, dass der für sich werbende Heilpraktiker eine besonders verwerfliche Form der "Abzocke" betreibt, weil er die gesundheitlichen Leiden seiner Kunden ausnutzt und ihnen mit leeren Versprechungen das Geld aus der Tasche zieht; beide meinten, dass sie selbst diese Erfahrung gemacht hätten. Ihre Forderung: Die Zeitung muss das zum Thema machen, damit das aufhört. Ich habe erwidert: Das ist keine Thema für eine journalistische Aufarbeitung, weil Heilpraktiker für sich werben dürfen und jeder Patient selbst in der Verantwortung ist, wenn er in die Sprechstunde geht, nach den Kosten zu fragen. Liege ich da falsch?
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