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Erst die Oma, dann ein Unfall

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Dass mich Ekel überkommt, wäre doch etwas übertrieben, aber manchmal muss ich mich ganz schön überwinden, um das zu tun, was erforderlich ist, um den Lesern am Telefon zu helfen oder ihnen zumindest einen Weg aufzuzeigen, wie sie selbst das Problem lösen können, was sie dazu veranlasst hat, mich anzurufen. Um einen solchen Fall geht es heute in der ersten Randnotiz aus meinen Gesprächsprotokollen zum Wochenausklang:

Episode 1: "Sie müssen mir helfen, ich weiß nicht mehr wohin mit meinem Ärger", sagte die Frau in der Leitung und gab zu: "In meiner Not ist mir eingefallen, dass es Sie gibt, und deshalb rufe ich jetzt an." Was ich als nächstes erfuhr, führte dann für mich zu der erwähnten Hürde: "Zu meinen Lieblingssendungen im Fernsehen gehört ´Shopping Queen´ auf Vox", erklärt sie mir weiter, bevor ich den Kern des Übels für ihren Ärger hörte:  "Ständig fällt in der Sendung das Wort Omamoden, worüber ich mich fürchterlich aufrege, weil tatsächlich Großmutter bin, aber mich mit 74 Jahren als durchaus modebewusste und in Stilfragen bewanderte ältere Dame bezeichne." Dass "Freie Presse" mal über diesen verbalen Fehlgriff der Moderatoren von "Shopping Queen" schreiben könnte, damit die ganz Welt davon erfährt, wie herablassend die Sendung sein kann, habe ich der Anruferin sofort ausreden können. Dann fiel dieser Satz: "Aber Sie können doch bestimmt zu einer Telefonnummer verhelfen, bei der ich mal anrufen kann." Dann musste ich es tun: Mit spitzen Fingern tippte ich der Verkaufskönigin in die Suchmaschine, klickte den Link nach Überwindung der letzten meiner Hemmschwellen sogar an, scrollte ganz nach unten und fand tatsächlich im Impressum eine Nummer, bei der Zuschauer anrufen können. "Haben Sie was zum Schreiben?", fragte ich die Oma und bekam als Antwort: "Sie sind ein Schatz."

Episode 2: Das Suchen von Artikeln, von denen die Leser nur so eine ungefähre Ahnung haben, wann er in der "Freien Presse" erschienen ist, sind eine besondere Herausforderung für mich, weil mich dann meistens ein gewisser Ehrgeiz packt und ich über die Suchmaske alle nur möglichen Begriffe verwende, um den Bericht zu finden. Doch bei diesem Anliegen waren allen Bemühungen vergeblich:

"Es geht um einen Verkehrsunfall."

"Wann stand die Meldung in der Zeitung."

"So vor fünf oder sechs Jahren."

"Können Sie sich an die Überschrift erinnern?"

"Nein."

"Vielleicht an ein, möglichst an zwei oder drei Stichwörter?"

"Schwerverletzt, Opel und Kreuzungsbereich."

"30 Treffer, das hilft uns nicht weiter, und die Stadt?"

"Chemnitz."

"21 Treffer."

"Können Sie mir die vielleicht kurz vorlesen?"

"Nein."

"Warum nicht?"

"Dauert zu lange."

"War machen wir jetzt?"

"Sie melden sich bei unserem Archiv an und suchen selbst."

"Gute Idee, das mache ich."

"Geht es um einen Gerichtsprozess oder um einen Versicherungsfall?"

"Nein, aber ich war der Verletzte, kann mich aber nicht mehr so gut erinnern, doch nun brauche ich möglichst viele Einzelheiten, weil ich den Staatsanwalt einschalten möchte."

"Also doch ein Fall fürs Gericht."

"Nein, eher etwas für die Mordkommission."

"Jetzt bin ich aber doch neugierig geworden."

"Ganz einfach: Kürzlich habe ich einem Kumpel von dem Crash erzählt, und dann er mich etwas gefragt, was mich stutzig gemacht hat."

"Und das war?"

"Bist Du ganz sicher, dass es ein Unfall war?"

 

Episode 3: Es gibt wieder mal ein "Gedicht der Woche", aber diesmal es hat der Leser, der es mir am Telefon vorgelesen hat, nicht selbst verfasst, sondern betonte, dass kein Geringerer als Wilhelm gereimt auf den Punkt bringen kann, was seine Meinung zur weiteren Aufrüstung der Nato im Osten zum Ausdruck bringt. Die Verse lauten:

 

Bewaffneter Friede

Ganz unverhofft, an einem Hügel,

Sind sich begegnet Fuchs und Igel.

Halt, rief der Fuchs, du Bösewicht!

Kennst du des Königs Ordre nicht?

Ist nicht der Friede längst verkündigt,

und weißt du nicht, daß jeder sündigt,

Der immer noch gerüstet geht?

Im Namen seiner Majestät

Geh her und übergib dein Fell.

Der Igel sprach: Nur nicht so schnell.

Laß dir erst deine Zähne brechen,

Dann wollen wir uns weiter sprechen!

Und allsogleich macht er sich rund,

Schließt seinen dichten Stachelbund

und trotzt getrost der ganzen Welt,

Bewaffnet, doch als Friedensheld.

Wilhelm Busch

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