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Tut mir leid, ein Widerspruch in sich

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Bei den Unterhaltungen mit Lesern am Telefon gerate ich manchmal an den Punkt, an dem ich mich entscheiden muss: Verzichte ich darauf, einen Anrufer weiterhin davon überzeugen zu wollen, dass es sich bei dem, was er mir gerade gesagt hat, leider um einen Irrtum beziehungsweise um ein Missverständnis handelt, weshalb ich ihn dann in der Folge um des lieben Gesprächsfriedens willen einfach weiterreden lasse, oder bleibe ich hartnäckig und bestehe darauf, dass er sich in diesem Punkt einsichtig zeigt und anerkennt, von etwas ausgegangen zu sein, das nicht richtig ist. Dass es an einem Tag zwischen zehn und elf für beide Möglichkeiten ein Beispiel gab, war in der Vergangenheit noch nie der Fall. Aber heute:

Ein Leser hatte mich angerufen, weil er mit mir über die in Deutschland lebenden Türken sprechen wollte, nachdem er den Bericht "Nazi-Hunde“ und Hakenkreuz – wie der Streit in der Türkei wirkt" und den Leitartikel "Warum Merkel klug gehandelt hat" gelesen hatte. "Das Recht der Meinungsfreiheit ist laut Grundgesetz auf das deutsche Volk beschränkt", sagte er und meinte, dass es deshalb zu den Aufgaben der staatlichen Stellen gehöre, dafür zu sorgen, dass niemand, der sich als Gast in unserem Land aufhält, grundgesetzwidrig verhält. "Das ist leider nicht richtig", sagte ich und fügte hinzu: "Das Grundgesetz gilt für alle Menschen, die sich auf deutschem Staatsgrund aufhalten." Da ich mir ganz sicher war, versuchte ich zuerst, ihn davon zu überzeugen, dass er bei seiner dann folgenden Meinung zu dem Verhalten von in Deutschland lebenden oder sich nur aufhaltenden Türken von einer falschen Prämisse ausgeht und er deshalb mit seinen weiteren Hinweise auf keinen Fall eine schlüssige beziehungsweise nachvollziehbare Argumentation formuliert. Der Mann wollte das nicht akzeptieren, denn er wisse, sagte er, wovon er rede, denn er habe sich im Internet informiert. Also ließ ich ihn dann ab einen gewissen Zeitpunkt einfach reden. Ob ich in solchen Situationen noch in der Lage bin, aufmerksam zuzuhören? Manchmal mehr, manchmal weniger, bei diesem Anrufer gelang mir das heute leider nicht.

Ein halbe Stunde später hatte ich eine Frau in der Leitung, die mich auch wegen dieses Themas "Meinungen und Reaktionen wegen der Auseinandersetzung zwischen Deutschland und der Türkei als Folge des von Erdogan angestrebten Wahlkampf auch in unserem Land" angerufen hatte. Sie sagte: "Ich habe eine Menge an begründeten Vorurteilen gegenüber den bei uns lebenden Türken, vor allem deshalb, weil sie überwiegend islamischen Glaubens sind." Meine erste Reaktion darauf war diese: "Meinem Verständnis von der deutschen Sprache zufolge gibt es keine begründeten Vorurteile, das ist ein Widerspruch in sich, dafür gibt es sogar ein Fachbegriff, es handelt sich um ein Oxymoron." Die Antwort der Anruferin war zunächst ein Schweigen, dann fragte sie mich: "Was wollen Sie mir damit sagen?" Da ich diese Erklärung (als Folge häufiger Verwendung) in meinen Gehirnwindungen abrufen kann, kam mir dieser Satz leicht über die Lippen: " Das ist eine Formulierung, die aus zwei gegensätzlichen, einander widersprechenden beziehungsweise sich gegenseitig ausschließenden Begriffen gebildet wird."  Schweigen in der Leitung. "Ist ja auch egal, ich muss das nicht verstehen, mir geht es nur darum, dass ich Ihnen sagen möchte, was ich von dem Verhalten der in unserem Land lebenden Türken halte, können Sie mir nicht einfach zuhören?", fragte mich die Frau. An diesem Punkt war ich dann nicht bereit, ihr dies zuzugestehen und bat darum, ihr diesen meiner Meinung sich ausschließenden Gebrauch der beiden Wörter noch einmal erklären zu dürfen. Sie hörte zu, und etwa eine Minute später sagte sie: "Also gut, ich habe eine Meinung über die Deutschland lebenden Türken, und ich kann mein Urteil auch begründen." Anschließend durfte sie ein paar Minuten lang reden, ohne dass ich sie unterbrochen habe.

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