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Fassungslos und ohnmächtig

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Fassungslosigkeit gehört zu den Gemütszuständen, die ich zum einen gut kenne und nachvollziehen kann, weil ich mit ihnen während meiner Gespräche mit Lesern oft unmittelbar konfrontiert werde, da die Leute in der Leitung aus ihrer emotionalen Erschütterung weder ein Geheimnis machen, noch Rücksicht nehmen wollen, was das in mir bewirken könnte, und die ich zum anderen am eigenen Leibe erfahre, weil ich von ihnen erfüllt bin angesichts dessen, was ich da gerade gehört habe. Und dann gibt es diese Fassungslosigkeit, die Leser verspüren, weil sie unbedingt an dem, was sie bewirkt hat, etwas ändern wollen; aber sie haben keine Idee, wie sie das anstellen sollen, und deshalb rufen sie bei mir an, ich möge ihnen einen Rat geben. Und es kommt zu diesen eher seltenen Momente, in denen der Anrufer und ich uns auf einer Ebene einig sind, die sprichwörtlich unter die Haut geht; im negativen Sinne, denn wir werden uns gleichzeitig der grenzenlosen Ohnmacht bewusst, die uns befällt bei der Erkenntnis, dass wir nichts daran ändern können, wirklich gar nichts. Heute war so ein Augenblickkeine große Geschichte, nicht einmal zwei Minuten hat die Unterhaltung gedauert. Der Mann ist Rentner, wie er betonte, nimmt aber seinen Worten zufolge mit großer Aufmerksamkeit an allem teil, was um ihn herum passiert.

"Ich habe gerade diesen Artikel gelesen und muss das jetzt unbedingt loswerden", sagte er und nannte mir mit "Wie die Klinik das Pflegeproblem löst" die Überschrift über einen Artikel in einer der Lokalausgaben der "Freien Presse"; es geht darum, wie ein Krankenhaus das Problem des fehlenden Nachwuchses lösen will. Dieses Thema war es aber nicht, was den Mann in der Leitung aus der Fassung gebracht hatte; es war Kasten mit den zusätzlichen Informationen neben dem Artikel. Ich zitiere den ersten Absatz vollständig: "Die Bundesregierung will mit einigen Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel in den Pflegeberufen vorgehen. Ein Schritt war es zum Beispiel, den Pflege-Mindestlohn zum Anfang des Jahres anzuheben. Menschen, die in den alten Bundesländern arbeiten, sollen nun mindestens 10,20 Euro pro Stunde verdienen, in den neuen Ländern 9,50 Euro." Der Leser meinte: "Ich kann es nicht fassen, dass Frauen und Männer, die in einem für unsere Gesellschaft so wichtigen Bereich arbeite und mit Sicherheit eine hochqualifizierte Ausbildung haben, nur unwesentlich mehr verdienen als den gesetzlichen Mindestlohn." Spontan und ohne groß zu überlegen habe ich ihm zugestimmt und gesagt: "Das ist eine Schande, da haben Sie vollkommen recht." Dann schwiegen wir beide so vielleicht zehn Sekunden lang, dann holte er hörbar tief Luft und fragte mich: "Und was können wir dagegen tun?" Und dann erwiderte ich, was den Mann in der Leitung und mich für einen kurzen Augenblick auf einer Ebene vereinte, die ich höchsten selten zwischen und zehn und zwölf erlebe: "Nichts, und das finde ich grausam, es macht mir Angst."

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