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Tragen Sie gelegentlich Turban? Oder eine Glatze aus Überzeugung? Schmückt vielleicht ein bunter Irokesenkamm Ihr Haupt und Ihren wohlgeformten Leib ein T-Shirt mit Botschaften wie "f*** the police"? Dann meiden Sie Londoner Internetcafés. Sie könnten sich verdächtig machen. In ihrer ständigen Sorge um die Sicherheit der Bürger spannt die Polizei in der britischen Hauptstadt jetzt die Besitzer jener vermaledeiten Treffpunkte ein, in denen tagtäglich abertausende subversive Elemente terroristische Pläne gegen die Hauptstadt, das Empire, kurzum: die freie Welt schmieden.
 
Die Briten haben sich in den vergangenen Jahren daran gewöhnen müssen, in einem Überwachungsstaat zu leben. Der einstige Vorposten der Freiheit observiert seine Bürger mit Kameras an allen möglichen öffentlichen Orten, hält eine der weltweit größten Gendatenbanken zur Verbrechensbekämpfung vor und setzt nun im Ringen um ein sicheres Königreich auf eine Eigenschaft, die nicht ganz unbritisch ist: den Argwohn. Nachdem die Londoner schon vor zwei Jahren in einer Plakataktion aufgefordert worden waren, Verdächtiges und Auffälliges zu melden, haben die Ermittler jetzt die Besitzer von Internetcafés als neue inoffizielle Mitarbeiter entdeckt. Sie sollen quasi Gewehr bei Fuß stehend Meldung machen, sobald ihnen ein Gast oder sein Tun nicht ganz sauber erscheinen. Das reicht im Zweifel bis zur Überprüfung der Festplatte.
 
Man kann sich leicht vorstellen, dass die Stimmung in so einem Internetcafé künftig - sagen wir - aufgeladen sein dürfte und der Schuss nach hinten losgeht. Denn statt Schaum auf seinem Cappuccino hat ein beargwöhnter Gast erst mal Schaum vorm Mund, sobald ein Cafébesitzer ein gesteigertes nachrichtendienstliches Interesse an ihm hat. Macht sich etwa ein deutscher Touri schon dadurch verdächtig, dass er bei Youtube Videos unter dem Schlagwort Arschbombe ansieht, Neuigkeiten bei "RTL explosiv" abruft oder die Webseite des Expressdienstleisters TNT sucht? Es wäre zum Schießen.
 
Weil Londons Polizei weiß, dass die Sache einigen Sprengstoff in sich birgt, flankiert sie die Vereinnahmung der Webcafé-Betreiber noch mit Plakaten und Bildschirmschonern, die davor warnen, gefährliche Inhalte abzurufen. Was die Frage aufwirft, ob angesichts dieses ausgeprägten Kontrollzwangs die echten Extremisten wirklich in Londons Internetcafés sitzen oder nicht vielmehr in den Behörden. Doch ebendort wird man es im Kampf gegen den Terrorismus schon zu verkaufen wissen - als Bombenerfolg. Selbst wenn es in Wahrheit unter aller Kanone ist.

Von Ronny Strobel

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