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Zum ersten Mal auf unserer  Reise zeigen unsere Lichter gen Westen und die Landschaft fliegt vorbei. Sobald wir die Kuestenstaedte hinter uns haben, beginnt sich die Umgebung zusehends zu veraendern: zwischen ueppigen Gruen leuchtet dunkelroter Boden unter azurblauem Himmel und gibt unseren Augen die langersehnte Abwechslung. In kristallklarer Luft scheint die Sonne auf die schier unvorstellbare Weite des Outbacks. Ein Jubelschrei hinter meinem Helm zerreist die Morgenluft ? endlich ist es da! Das Australien, von dem ich so lang getraeumt habe! Endlich fahren wir auf dem schnurgeraden Highway, der mit dem Horizont verschmilzt. Das Bild verschwimmt und Traenen kullern. Traenen der Freude ? die Reise hierher hat viel Kraft gekostet.

Man moege jetzt denken, dass die vor uns liegenden 2000km auf schnurgerader Strasse langweilig waeren. Doch es gibt immer wieder Neues zu entdecken: wir treffen auf die ersten Roadtrains (riesiege LKW), denen wir mit Respekt Platz auf der Strasse verschaffen. Ploetzlich bewegt sich etwas links von uns. Vier Emus (straussenaehnliche Voegel) kommen auf ihren langen Beinen beim Geraeusch der Motorraeder ins Rennen. Sie sind viel groesser als erwartet und beeindrucken uns sehr.  Ein Adler versucht mit 3 Meter Fluegelspannweite seinen Kadaver auf der Gegenfahrbahn zu verteidigen und laesst sich auch nicht von unseren Zweiraedern beeindrucken. Je tiefer wir ins Hinterland Australiens vordringen, desto kleiner werden die Kleinstaedte und desto seltener werden Autos. Wenn dann mal eins kommt, wird voller Inbrunst gegruesst.

Das Highwayfahren regt auch zum Geniessen an, da wir nicht mehr gross auf Verkehr und ueberhaupt gar nicht auf Kurven achten muessen. So nehmen wir jede Veraenderung der Landschaft wahr: kurz vor Mt wird die sandige Grassteppe von den Zipfelmuetzen tausender Termitenhaufen durchsetzt, die rot in der Morgensonne gluehen. Das goldene Licht laesst mich laecheln, da es mich an eine Begebenheit, kurz nach unserem Start gen Westen, zurueck erinnert:

Es ist kurz nach Ostern und wir loesen uns von unserem Osterdomizil Balgal Beach. Hier haben wir 5 Tage relaxt und am Strand Kokosnuesse von den Palmen geholt. Danach ging es nach Charters Towers ? einer alten Goldstadt ? wo wir uns an 2kg Ballast in unseren Motorradboxen erinnerten: im Hillsborough NP hatten wir bei einer Wanderung in der untergehenden Sonne Gold am Strand gefunden. Dieses war von Fluessen nach dem Zyklon an den Strand gewaschen worden. In einem einstuendigen Goldrausch kratzten wir den  Goldstaub in eine leere Plastiktuete und verstauten unseren Fund in den Boxen. Da wir den Staub nicht herausgewaschen bekamen, brachten wir ihn in ein altes Minencottage in Charters Towers, wo wir den Fachmann fragten. Die Antwort war, dass das Maica sei ? Katzengold. Troztdem war es den einstuendigen ?Goldrush ? am Strand wert und die sechs-woechige Fahrt mit 2kg Sand!

Auf der ersten Raststaette am Stuart Hwy treffen wir auf einen Aboriginie. Er kommt aus der trockenen Wuestenlandschaft geradewegs auf uns zugelaufen und setzt sich mit an den Tisch. Seine tiefen Gesichtszuege um die breite Nase werden ernst, als unser Gespraech auf die grossen Probleme der Ureinwohner in Australien kommt. Viele Aboriginies sind, u.a. wegen Gewaltbereitschaft und Alkoholmissbrauch, aus ihren Communities verstossen worden und vegetieren nun in Staedten dahin, wo sie weder arbeiten noch ein wirkliches Leben geniessen. Sie sind entwurzelt. Deshalb tut es gut, auf einen von ihnen zu treffen, der uns ueber sein Leben im Busch berichtet und auch die Lebensart der Stadtaboriginies nicht unterstuetzt. ?Wir haben doch alles im Busch, was wir zum Leben brauchen?. Er jagd Schlangen, Kaengurus und Leguane und weiss noch wie Buschtomaten aussehen und wo man Honigameisen findet. Er erzaehlt uns viel ueber die Lebensweise der heute noch existierenden Voelker untereinander und das sogar heute noch Vergeltungsmorde ausgeuebt werden. Nach zwei Stunden wissen wir viel ueber spirituelle Braeuche um Moerder zu finden, ueber sein Leben als Drover in den 60er Jahren (riesige Herden Rinder wurden damals per Pferd vom Norden Australiens nach Adelaide zum Verkauf getrieben) und von seinen Enkeln aus Darwin, die so ueberhaupt gar nicht mehr an der alten Kultur der Ureinwohner interessiert sind. Obwohl wir nur wenige Sekunden brauchen, unsere Motorraeder zu wenden, ist er verschwunden als wir zum Abschied winken wollen. Als ob er sich in Luft aufgeloest haette. Ein komisches Gefuehl.Die lange Reisezeit ins Zentrum bringt aber auch Reisemuedigkeit und die ersten Anfluege von Heimweh mit sich. Vor allem heimisches Essen und auch Familie fehlt langsam. Jeden Abend campieren wir am Highway ? meist rollen die ganze Nacht laermende Roadtrains daher. Die Bekanntschaften unterwegs an den Rastplaetzen sind nur fluechtig ? jeder hat eine andere Richtung und ein anderes Ziel. Deshalb sind wir froh, als wir kurz vor Alice Springs auf Hans treffen. Er kommt aus Oesterreich und lebt seit Jahren in Hamburg. Mit seinen 70 Lenzen ist er tatsaechlich auf dem Fahrrad unterwegs, um den roten Kontinent zu durchqueren. Mit offenem Mund lauschen wir seinen Geschichten vom Trampen durch den Orient in den 60ern ? zusammen mit Ruediger Nehberg -, seinen Radabenteuern in Suedamerika und sind schlichtweg begeistert von der Energie, die er ausstrahlt! Alles, was man zum Leben braucht, passt also auch auf ein Fahrrad... Interessant.

Nach dem Abend mit Hans erreichen wir am 16.4.2010 das  Herz von Australiens - Alice Springs. Aufgrund der langen Fahrerei  haben wir uns zu etwas Bewegung entschlossen:  wir wollen es mit Mutter Natur und unserer Willenskraft aufnehmen und den 12-taegigen und 223km langen Larapinta Trail (Wanderweg)  laufen.  Ob und wie wir das schaffen, erfahrt ihr im Folgebericht.

Wusstet ihr denn schon, dass Roadtrains bis 54m lang sind und, beladen, bis zu 1,5km Bremsweg haben? Mit bis zu vier Anhaengern sind sie die wirklichen Koenige der Strassen im Outback und in vielen Regionen die einzige Lieferquelle fuer alle Dinge, die man zum Leben braucht (inkl. Wasser).

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