Der Entwurf für die künftigen Windkraftstandorte in der Region sorgt für Aufruhr. Politiker vor Ort bringt er in die Bredouille.
Tino Gündel ist aufs Dorf ins vogtländische Meßbach gezogen, weil er Erholung suchte. Jetzt sieht er seinen Traum vom Glück bedroht: 200 Meter hohe Windräder könnten demnächst Schatten auf sein Grundstück werfen. Denn der Planungsverband Chemnitz hat unweit von Gündels Haus eine neue Fläche als Vorranggebiet für Windkraft vorgeschlagen. "Der Schatten wird uns verrückt machen", sagt Gündel "Wir werden die Gardinen immer zugezogen lassen müssen."
Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Lärm und Infraschall, eine Wertminderung ihrer Immobilie, eine Bedrohung für geschützte Tierarten - die Liste der Einwände der Windkraft-Gegner ist lang.
55 Windkraftstandorte hat der Planungsverband Chemnitz jetzt für Südwestsachsen ins Gespräch gebracht. "Wir haben euch gewählt, jetzt kämpft mit uns für Abstand 10h", prangt auf einem Transparent, das Demonstranten gestern dem Zwickauer Landrat Christoph Scheurer und dessen vogtländischem Amtskollegen Rolf Keil vor dem Landratsamt in Plauen entgegenrecken. "10h", das wissen die beiden CDU-Granden, das ist Zehnfache der Nabenhöhe eines Windrads. So groß soll der Mindestabstand zur Wohnbebauung sein. Bürgerinitiativen fordern das seit langem. Auch die Kreistage in Plauen, Annaberg-Buchholz und Zwickau haben eine solche Schutzzone beschlossen.
Die beiden Landräte Keil und Scheurer sind aber auch Mitglieder des Planungsausschusses des Verbandes - und stecken wie ihre Kollegen zwischen Baum und Borke. Die Vorgabe des Freistaats, in Südwestsachsen einen Mindestenergieertrag durch Windkraft von 780 Gigawattstunden pro Jahr sicherzustellen, muss der Verband erfüllen. Ein genereller 10H-Abstand wäre das Aus für den Ausbau der Windenergie in Sachsen. Den letzten Teilplan Windkraft für die Region hatte die Justiz im Oktober 2012 kassiert - weil der Bundesgesetzgeber der Windenergie Vorfahrt einräumt und im Plan nicht ausreichend Fläche dafür ausgewiesen worden war.
Die Investoren stehen Schlange - und setzen den Planungsverband unter Druck. "Wir könnten jetzt sagen, wir denken noch ein paar Jahre über geeignete Windkraftstandorte nach und haben unseren Frieden", erklärt Landrat Scheurer. Dann aber sei dem Wildwuchs Tür und Tor geöffnet, weil es dann nur noch nach dem Baugesetzbuch gehe. "Das würde zum Spiel der freien Kräfte ohne Regeln und unweigerlich vor Gericht führen."
Im aktuellen Entwurf des Windenergiekonzepts hat der Planungsverband sich einen Spielraum geschaffen. "Wir können diese Differenz zwischen dem Energieertrag, den wir bringen müssen, und dem, der eingeplant ist, nutzen, um Bürgern bei berechtigten Einwänden entgegenzukommen", sagt Landrat und Ausschusschef Keil. Der Hartmannsdorfer CDU-Bürgermeister und mittelsächsische Kreisrat Uwe Weinert meldet schon jetzt Nachjustierungsbedarf an. Es sei inakzeptabel, dass Mittelsachsen mit mehr als 50 Prozent der gesamten Vorrangsfläche belastet werde.
Michael Eilenberger, der als Vorsitzender des Landesverbands Landschaftsschutz 50 Bürgerinitiativen vertritt, ist vom Planungsverband und der Politik enttäuscht. "Es geht doch darum, dass die Menschen, die hier leben, ein Mindestmaß an Schutz brauchen", sagt er. "Da muss man sich doch fragen, ob der vorgegebene Mindestenergieertrag in dieser Region ohne aus unserer Sicht viel zu geringe und menschenverachtende Abstände zur Wohnbebauung überhaupt umsetzbar ist. Der Freistaat darf sich da nicht aus der Verantwortung stehlen."
Auch Naturschützer haben Einwände. Für das Einzugsgebiet vieler der jetzt vorgeschlagenen Vorranggebiete seien gar keine oder nur lückenhafte Daten zum Vorkommen sensibler Arten wie dem Rotmilan in die Planung eingeflossen, sagt Ute Straßburg. "Das ist rechtlich angreifbar."
Druck machen auch die Bürger. Gestern übergaben sie Landrat Keil 1000 Unterschriften aus dem südwestlichen Vogtland und Plauen gegen Windräder vor ihrer Haustür. Für Karla Schellenberg von der Bürgerinitiative Meßbach ist das nur der Anfang: "Es wird laut werden, sollte der Verband an dieser bewussten Körperverletzung festhalten."