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Fotograf Wiegand Sturm ist mit der Kamera ganz nah dran

Interessante Momente, schreckliche Unfälle, sympathische Menschen, Sportereignisse und Promis - Fotoreporter Wiegand Sturm hat das Geschehen über Jahrzehnte dokumentiert. Vieles berührt den 69-Jährigen heute immer noch sehr.

Rochsburg.

An seinen ersten Fototermin als festangestellter Mitarbeiter in der Lokalredaktion Rochlitz kann sich Wiegand Sturm noch genau erinnern. Das war Anfang September 1990. "Ich wurde in die Autowerkstatt Bachmann nach Tauscha geschickt." Zuvor hatte er in den 1980er-Jahren als Volkskorrespondent hier und da mal ein Bild für die "Freie Presse" gemacht. Fotografieren war schon immer die große Leidenschaft des heute 69-Jährigen, der im Lunzenauer Ortsteil Rochsburg wohnt - ob damals im Kulturbund der DDR oder bei den "Rochlitzer Fotofreunden". "Als ich das Ende des Kulturbundes kommen sah, hatte ich ganz unverbindlich mal in der Rochlitzer Lokalredaktion angefragt: Braucht ihr einen Fotografen?" Wenige Tage später rief eine Mitarbeiterin bei ihm an und sagte: "Es könnte losgehen." Kurz darauf lag der Arbeitsvertrag im Briefkasten.

Auch im kleinen Rochlitz musste man kurz nach der Wende nicht lange auf die ersten Promis warten. Zu ihnen gehörte auch der damalige französische Staatspräsident François Mitterrand, der 1991 mit Ministerpräsident Kurt Biedenkopf das Unternehmen Alcatel besuchte. "Ich war direkt zwei Meter dran, mitten im Schiebeschild aus Sicherheitsleuten." Wenig später war es Sänger Herbert Grönemeyer, den Wiegand Sturm in Aue fotografierte. "Wir hatten uns einen Eigenauftrag vergeben und wurden auch stehenden Fußes akkreditiert. Der Bericht wurde sogar in der Rochlitzer Lokalausgabe veröffentlicht. Das war damals alles möglich", wundert sich Wiegand Sturm heute noch. Besonders viel zu tun gab es für ihn 1995 beim Tag der Sachsen in Rochlitz. "Das war zeitweise sehr anstrengend, aber toll."

1999 wechselte er in die Lokalredaktion Glauchau, wo er bis 2018 als Fotoreporter arbeitete. Dort hatte er auch Termine im Glauchauer Stadttheater, wo viele Promis gastierten: Heinz Rudolf Kunze, Manfred Krug, Montserrat Cabellé, Dieter Hildebrandt, Täve Schur. "Otto Waalkes habe ich sogar mal die Hände geschüttelt. Er war absolut bescheiden und zurückhaltend." Auch von Schriftsteller Benno Pludra, der mal in der Rochlitzer Bibliothek zu Gast war, ist Wiegand Sturm heute immer noch sehr beeindruckt. "Ein sehr angenehmer Mensch." Auch von Heinz Schröder - der Stimme von Pittiplatsch - und den anderen Puppenspielern aus dem DDR-Fernsehen war er sehr angetan: "Da hast du plötzlich die Leute deiner Kindheitserinnerungen leibhaftig vor dir." Doch vor allem war es das Alltagsgeschäft, der ganz normale Wahnsinn in der sächsischen Provinz, der Wiegand Sturms Reporterleben bestimmte. Schlimme Erinnerungen hat er an Unfälle, bei denen er fotografierte. An einem Bahnübergang beispielsweise kämpften Retter vergeblich um das Leben eines 15-jährigen Fahrzeuginsassen. Etliche Motorradfahrer hat er auf den Straßen sterben sehen. Eine Fahranfängerin verbrannte in ihrem Auto, als dieses unter einen Lkw geschleudert war. "Da kriegst du weiche Knie, das geht einem an die Nieren." Weniger nervenaufreibend waren da die Sporttermine. "Vor allem in der Glauchauer Region hatte ich viele. Diese haben meinen Horizont sehr erweitert."

In den Anfangsjahren wurde alles in schwarz-weiß abgelichtet. Eine große Herausforderung war, als das Foto der "Regionalposition" farbig wurde. Das war jener Beitrag im unteren Bereich der Hauptseite der Zeitung, der von der jeweiligen Lokalredaktion gefüllt werden musste. "Die ersten Farbbilder waren eine große Herausforderung für uns Fotografen", sagt Wiegand Sturm. Da das Entwickeln im eigenen Labor nicht möglich war, fuhr auch er zum Elektronikmarkt "Pro Tech" in den Oli-Park nach Oberlichtenau, wo es einen Automaten gab und wo auch Fotografen anderer Zeitungen meistens Schlange standen. "Dort konnte man gleich auf die Bilder warten." Große Probleme bereiteten die Montagausgaben, denn auch für sie wurden Farbfotos gebraucht. Doch sonntags hatte "Pro Tech" geschlossen. So entwickelte Wiegand Sturm lediglich das Negativ in seinem Labor und schickte es dann zum Druck nach Chemnitz. "Das Digitale hat dann den Stress entschärft."

Apropos Stress: Auch sein bislang intensivstes Wochenende ist Wiegand Sturm noch allgegenwärtig. "Da hatte ich mal 23 Termine an zwei Tagen. Ich machte zusätzlich noch die Urlaubsvertretung in Hohenstein-Ernstthal. Wir hatten zwar schon Digitaltechnik, aber nach den beiden Tagen war ich absolut breit." Es sei ja nicht nur das Fotografieren. Vor allem das Ausfüllen der Spalten mit den Informationen koste viel Zeit. Seine Frau Hannelore, die die Stadtbibliothek in Lunzenau leitet und ehrenamtlich als Friedensrichterin tätig ist, habe immer viel Verständnis für seine Arbeitszeiten aufgebracht. Jetzt als Rentner hat er dafür umso mehr Zeit. "Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn du darüber frei verfügen kannst", meint er. Denn beide verreisen oft, sind gern in Südfrankreich und auf den Kanaren. Langweilig wird es nie. Denn Wiegand Sturm ist Vorsitzender des Schlossvereins Rochsburg, springt ab und zu ein als Fotograf, wenn Not am Mann ist, gestaltet Ausstellungen und arbeitet immer noch für eine Wirtschaftszeitung.

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