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Die Sache mit dem Druck

75 Jahre "Freie Presse" veranlassen Studierende und Lehrende der Fakultät Angewandte Kunst Schneeberg zur Auseinandersetzung mit einem vieldeutigem Begriff.

Ohne Druck geht nichts. Bei der Zeitung nicht, in der Kunst nicht, und im Leben gleich gar nicht. In einem Kunstprojekt mit der "Freien Presse" beschäftigt sich die Fakultät Angewandte Kunst Schneeberg der Westsächsischen Hochschule Zwickau mit Medienarbeit und dem Phänomen "Druck". Darüber hat Peggy Fritzsche mit Christoph Beyer und Thomas Hassan Steinmüller gesprochen.

Freie Presse: Herr Beyer, Sie haben der "Freien Presse" zum 75. Geburtstag eine Blume auf Papier gedruckt ... die Zeitungsmenschen danken!

Christoph Beyer: Es gab nicht nur eine Blume geschenkt, sondern auch einen Bindfaden. Denn was früher alle machten und heute nur noch von älteren Menschen getan wird, ist das Zusammenschnüren von Tageszeitungen zu tragbaren Päckchen. In Schneeberg gibt es heute noch eine Annahmestelle, vor der manchmal eine Schlange steht.

Wir müssen das erklären. Die "Freie Presse" ist vor einigen Monaten an die Fakultät für Angewandte Kunst in Schneeberg herangetreten und wollte wissen, ob sich Studierende mit dem 75 Jahre währenden Bestehen der Tageszeitung künstlerisch auseinandersetzen wollen. Sie sind an der Fakultät der Leiter der Grafischen Druckwerkstatt.

Christoph Beyer: Ich war von der Idee begeistert. Ich empfinde es aber auch als wichtig, dass nicht nur die Studierenden sich mit der Medienreflexion beschäftigen, sondern auch wir Lehrenden. Deshalb habe ich selbst einige künstlerische Arbeiten beigesteuert. Unter anderem den Abdruck eines Linolschnittes, der Bindfaden und Blume zeigt.

Herr Steinmüller, Sie sind Student in Schneeberg. Was verbindet Sie mit Zeitung?

Thomas Steinmüller: Ich lese sie ganz gern mal, wenn sie im Zug liegt. Als Student fehlt mir das Geld, eine Tageszeitung zu abonnieren. Das Kunstprojekt hat mein Medienbewusstsein aber geschärft. Ich schaue inzwischen sehr genau, wie sich die gesellschaftlichen Entwicklungen in den Zeitungen spiegeln.

Ein Teil der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Geburtstag der "Freien Presse" findet in der Grafischen Druckwerkstatt der Fakultät statt. Was ist das für ein Ort?

Thomas Steinmüller: Am Eingang steht ein Zettel, auf dem "Kulturraum der freien Kunst" geschrieben steht. Christoph Beyer: Der Hinweis soll den offenen, schwellenlosen Charakter der Druckwerkstatt zeigen. Für mich ist die Werkstatt mit ihren Räumen ein besonderer Ort. Hier kommen Menschen zusammen, um sich auszutauschen. Sie schneiden Dinge aus, schauen sich gegenseitig Technikkniffe ab, sie quatschen hier. Und sie drucken natürlich. Es ist mir wichtig, dass die Druckwerkstatt ein demokratischer Ort ist, offen in seiner Anlage - ein freier Ort, jedoch ohne Druck im Sinne von Zwang. Druck erwächst im Rahmen des Studiums schnell genug. Denn der Besuch einer Hochschule mündet schnell in Ablieferungsdruck.

Was assoziieren Sie mit dem Wort Druck?

Thomas Steinmüller: Es ist als Kunstform ein Teil meiner Ausbildung an der Hochschule. Drucktechniken gehören zu den Grundlagen meiner Ausbildung, die ich hier absolviere. Mithilfe von Druckgrafik, aber auch anderen künstlerischen Techniken, können wir die Welt gestalten, sie auch verändern. Christoph Beyer: Der Druck als Kunstrichtung ist etwas Wunderbares. Ich beschäftige mich seit Langem mit 2-D-Techniken. Der Druckgrafik begegne ich mit großer Faszination, weil wenig andere Techniken eine so große Gleichmäßigkeit auf einer Fläche ermöglichen. Liegen viele druckgrafischen Blätter auf einem Arbeitstisch, dann schafft dies auch eine Körperlichkeit. Arbeiten an der Druckmaschine sind variantenreich. Gerade in der Kunstlehre eignen sich Drucke wunderbar, um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erreichen. Anders als Dateien kann man Drucke nebeneinander legen, sie riechen, ihre Prägung spüren. Druck assoziiere ich aber auch mit unsäglicher Effizienz, die unser Leben vorantreibt.

Sie haben lange Zeit als Krankenpfleger in der Psychiatrie gearbeitet. Haben Sie Erkenntnisse daraus gezogen, was dieser Druck mit Menschen macht?

Christoph Beyer: Das Höher-Schneller-Weiter gehört schon zu unseren Erwartungen an den Alltag. Viele Menschen sind dem möglicherweise in Unternehmen ausgesetzt. Jedes ausgesprochene "Dankeschön" ist oft gleichbedeutend mit einer Forderung nach mehr, nach einer Steigerung oder Effizienzänderung, die ganz selbstverständlich dazugehört. Das kann Menschen durchaus verunsichern, wie ich glaube.

Warum lassen wir uns so unter Druck setzen?

Christoph Beyer: Vielleicht liegt es daran, dass wir zwar wissen, dass es Chancengleichheit gibt. Dieser können wir aber oft nicht nachkommen, weil es an Gleichheit der Möglichkeiten fehlt. Der Akademiker hat es leicht, eine akademische Lehre anzutreten. Dem Menschen aus schwacher Sozialschicht fällt das schwerer. Oftmals vergessen wird, dass Vorankommen nicht Höherstreben ist.

Herr Steinmüller, stehen Sie in Ihrem Studium unter Druck?

Thomas Steinmüller: Positiv gesehen, ja. Ich liebe die Auseinandersetzung mit anderen Künstlern, mit meinen Kommilitonen. Ich kann mein Studium nach meinen Vorstellungen absolvieren. Der Kunst, besonders den Ausrichtungen Malerei, Druckgrafik und textile Gestaltung, habe ich mich von Kindesbeinen an verbunden gefühlt. Bevor ich mich dem Kunststudium widmete, absolvierte ich in Plauen mein Abitur mit dem Schwerpunkt auf Wirtschaft. Vielleicht war mein Beweggrund, mich für die Kunstrichtung zu entscheiden, auch der spätere Umgang mit Drucksituationen.

Druck und Zeitung - auch das ist natürlich untrennbar miteinander verbunden. Was haben sie aus künstlerischer Sicht, in den vergangenen Wochen über Zeitung gelernt?

Thomas Steinmüller: Ich konnte mich in den letzten Tagen mit konkreten Ereignissen der Vergangenheit auseinandersetzen. Jetzt weiß ich, dass es für mich wichtig ist, künftig die Inhalte in den Zeitungen oder Medien deutlicher wahrzunehmen. Ich beschäftige mich mit Begriffen wie Fake-News, konzentriere mich auf eine gute Quellensuche.

Herr Beyer, wie hat sich Ihr Medienbild im Zuge des Kunstprojektes verändert?

Christoph Beyer: Es hat sich nicht sehr verändert. Ich verfolge Zeitungen, speziell auch die "Freie Presse", seit meiner Kindheit. Meine Eltern hatten die Zeitung abonniert. Ich habe da bewusst reingeschaut, als ich das Alter von elf, zwölf Jahren erreicht hatte. Ich bin schlussendlich nicht zum großen Tageszeitungsleser geworden. Denn dafür fehlt mir die Zeit. Ich finde es wichtig, mir für das Lesen Zeit zu nehmen, Gelesenes zu überdenken, zu reflektieren. Dazu braucht es ruhige Momente und die fehlen im Alltäglichen oft. Was nicht heißen soll, dass ich nicht gerne in Zeitungen schaue.

Was gefällt Ihnen, wenn sie die Papierseiten aufblättern?

Christoph Beyer: Für einen Ästheten, wie ich mich sehe, ist der Blick in gedruckte Publikationen auch immer ein Blick auf Stil und Schönheit. Da sind wir wieder bei den druckgrafischen Elementen, über die wir bereits sprachen. Ich kann mich an einer guten Typografie erfreuen, an einer außergewöhnlichen Bildsprache oder an der ganz speziellen Anordnung von Illustration, Schrift und Abbild. So gerne ich seitenweise Kommentare und Meinungsbilder über Politik lese, so gerne schaue ich auch das gestalterische Bild der Zeitungsaufmachung an. Besonders achte ich auf Weißfläche. Diesen ungefüllten Raum braucht es. Ich mag Weißfläche. (pefr)

Die entstandenen Kunstprojekte im E-Magazin zum Durchblättern. (Bitte beachten Sie, dass der Download der Seiten je nach Bandbreite ihrer Internetverbindung etwas Zeit in Anspruch nehmen kann)

Der Lehrende

Christph Beyer wurde 1969 in Karl-Marx-Stadt geboren. Er arbeitete zunächst als Krankenpfleger, viele Jahre davon im Bereich der Psychiatrie. Im Jahr 1997 begann er ein Studium an der Fakultät für Angewandte Kunst in Schneeberg. Hier ist er derzeit Leiter der Grafischen Druckwerkstatt. Beyer absolvierte zu Studienzeiten ein Praktikum in London. Sechs Jahre lang blieb er der Stadt eng verbunden, indem er einen Teil seiner Arbeitszeit in der britischen Hauptstadt der Herstellung von Möbeln widmete. Nach seinem Studium gründete er zudem ein eigenes Studio, welches er seit 2001 unter dem Namen "Bergbüro" in Schneeberg betreibt. Es ist Werkstatt, Atelier, Studienort. Für das Kunstprojekt, welches in den vergangenen acht Wochen zum 75 Jahre währenden Bestehen der "Freien Presse" entstand, schuf er mehrere Arbeiten. Unter anderem bedruckte er historische Seiten der Tageszeitung. Dabei reflektierte er unter anderem die Zeiten des Baubeginns der heute bunt gestalteten Esse. Auf der Seite analysierte er auch einen Bericht über die Bezirksdelegiertenkonferenz Karl-Marx-Stadt der SED. Dies sei ein wunderbarer Spiegel der DDR-Fantasterei, der "freien" PR, wie Christoph Beyer betont. Gedruckt auf einer FP-Seite aus dem Jahr 1985, holte er "eines der wichtigsten Geschenke in unserem Leben" ins Bewusstsein zurück. Beyer hatte ein halbes Jahr vor der Wende seinen Wehrdienstausweis beim Wehrkreiskommando abgegeben. Ohne politische Umwälzung wäre er deshalb wohl für zwei Jahre im Knast verschwunden, wie er sagt. Deshalb benannte er diese Arbeit in Bezug auf Gorbatschows Amtseinführung mit "I love Gorbi".

Der Studierende

Thomas Hassan Steinmüller wurde 1998 im Vogtland geboren. Er machte sein Abitur in Plauen, konzentrierte sich dabei auf die Spezialisierung Wirtschaft. Nach der Schule schrieb er sich an der Bauhaus-Uni Weimar ein, studierte dort Kunst und Geschichte. Inzwischen ist er Studierender an der Fakultät für Angewandte Kunst Schneeberg, die zur Westsächsischen Hochschule Zwickau gehört. Thomas Steinmüller schätzt dort vor allem den praxisnahen Ausbildungsbezug. Obwohl ein Großteil der Lehre aktuell aus Gründen des Schutzes vor der Corona-Pandemie digital durchgeführt wird, ist es den Studierenden erlaubt, die Werkstätten einzeln oder in kleinen Gruppen zu besuchen, um dort zu arbeiten und zu praktizieren. Der Praxisbezug wird an der Fakultät besonders betont. Projektbezogene Materialien werden allen Studierenden kostenfrei bereitgestellt, und ein persönlicher Atelierarbeitsplatz auf dem Campus gehört auch zu den Grundarbeitsbedingungen der Schule. "So etwas gibt es ausgesprochen selten in der deutschen Hochschullandschaft", sagt Thomas Steinmüller.

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