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Offener Brief an die Redaktion
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
heute wende ich mich mit einem offenen Brief an Euch, weil ich seit Wochen darüber nachdenke wie ich aus diesem einem Dilemma herauskomme. Erlaubt mir aber bitte zunächst, dass ich den Lesern dieses Blogs, die nicht als Redakteure bei der "Freien Presse" arbeiten, kurz erkläre, was es mit einem offenen Brief auf sich hat: Solch ein Schriftstück schickt man an Personen oder spezifischen Gruppen von Menschen, weil man sie zu einer Reaktion veranlassen will, in dem man den Inhalt des Briefes gleichzeitig öffentlich macht.
Dies ist mein Anliegen an Euch: Fast in jedem dritten Gespräch mit Lesern am Telefon teilen mir die Anrufer mit, dass ich doch bitte alle Redakteure der "Freien Presse" darüber informieren möge, was sie mir gerade gesagt haben; weil nur aus diesem einen Grund hätten sie mich angerufen. Allein heute war das fünf Mal der Fall, und immer habe ich erwidert: Das will ich gerne tun. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie ich mich dabei manchmal fühle, wenn ich hier scheinbar etwas verspreche, was ich dann nicht wirklich halten kann? In dieser Zeit der modernen Kommunikation über das Netz kommt Euch vermutlich diese Idee: Schick uns doch einfach eine Mail.
Liebe Redakteurinnen, liebe Redakteure, das mache ich ganz bestimmt nicht. Meine Gründe will ich Euch mit drei Beispielen von heute erläutern. Das erste: "Erklären Sie doch bitte mal allen Redakteuren den Unterschied, wann man in einem Satz nach einem Komma "dass" und wann man "das" schreibt; diesen Fehler lese ich ständig in der Zeitung", sagte mir eine Anruferin, nachdem sie auf der Seite ... Halt: Ich will hier nicht noch den Finger in die Wunde legen, weil die Kollegen in diesem Ressort ohnehin damit leben müssen, dass die Leser von Texten über schöngeistige Kulturthemen offensichtlich die Artikel viel genauer lesen als andere.
Zweites Beispiel von heute: "Bitte richten sie allen Redakteuren Ihrer Zeitung einen schönen Gruß von meiner Tochter und meinem Schwiegersohn aus. Beide arbeiten nämlich in einer Strafvollzugsanstalt." Die Anruferin machte eine kurze Pause, ich ahnte nicht, worauf das Gespräch hinaus lief, bis die Leserin weitersprach: "Mama, hat sie gesagt, wenn ich in den Zoo gehe und mir eine Banane in die Tasche stecke, bin ich vielleicht eine Wärterin, aber das ist ganz bestimmt nicht mein Beruf." Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich eine Mail schreiben würde, müsste darin stehen: Wenn Ihr Artikel schreibt, in denen Vollzugsbeamte oder Vollzugsbedienstete vorkommen, dann schreibt bitte niemals, das es Wärter sind. Das empfinden sie als respektlos."
Drittes Beispiel: "Ihre Redakteure schreiben nur schlechte Artikel über die DDR-Zeit, bitte sagen Sie ihnen doch, dass das niemand mehr lesen will; es war doch vieles auch gut, darüber sollten Ihre Kollegen mal schreiben." Was hättet Ihr empfunden, wenn ich das in einer Mail an alle Redaktionen und Ressorts geschickt hätte?
Also mache ich Euch jetzt folgenden Vorschlag: Wenn mir Leser etwas mitteilen, das alle Redakteure erfahren sollen, dann verarbeite ich diese Bitte in einem Beitrag hier in meinem Blog; nicht immer als solche klar zu erkennen, aber weil gerade Journalisten wahre Meister darin sind, manchmal auch zwischen den Zeilen etwas zu sagen, bin ich mir ganz sicher, dass Ihr das schon erkennt. Allerdings setzt mein Vorschlag voraus, dass alle Kolleginnen und Kollegen meinen täglichen Blog lesen. Deshalb meine Bitte: Weitersagen wäre schön.
Ich würde mich freuen, wenn Ihr Verständnis dafür habt, dass ich mich mit diesem offenen Brief an Euch gewandt habe.
Mit kollegialen Grüßen
Reinhard Oldeweme
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