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Klarer Fall: Der Schuh drückt mich - wen sonst?

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"Mich drückt der Schuh", sagte der Leser; mehr nicht, nachdem er seinen Namen gesagt hatte. Diese Eröffnung eines Gesprächs am Telefon verwunderte mich nicht wirklich, weil ich sie kenne, denn die häufigste Variante davon ist: "Ich habe ein Problem." Auch diesmal wollte ich nicht drängeln und den Anrufer diesen Moment lang Zeit lassen, damit er mir in Ruhe erzählen kann, was ihn beschäftigt. Dann kommen wir, war ich mir sicher, wie  immer zu dem Punkt mit der Frage: "Können Sie mir da helfen?" Diesmal aber war alles anders, die nächste Frage verwirrte mich, ließ mich zunächst nichts weiter sagen: "Welcher Fall ist das?" wollte der Anrufer von mir wissen.

Mein Schweigen deutete der Leser als Nachdenken, womit er zweifelsohne auch Recht hatte, denn er wollte mir das Forschen in meinen Gehirnwindungen erleichtern: "Drehen Sie den Satz doch einfach mal um, dann fällt es Ihnen vermutlich leichter. Sagen Sie einfach: Der Schuh drückt mich." Jetzt fiel bei mir der Groschen, es ging hier nicht um ein Problem, der Anrufer wollte eine grammatikalische Auskunft. Da fühlte ich mich auf sicherem Boden und antwortete: "Eindeutig der vierte Fall. Akkusativ - der Schuh drückt wen (oder was)?"

Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte und sagte: "Sehen Sie, ist doch ganz einfach. Und jetzt lese ich Ihnen etwas aus Ihrer Zeitung vor, Ausgabe von heute, Lokalteil Chemnitz, zweite Seite, ganz unten." Ich hörte das Rascheln von Papier, dann ein Murmeln von Worten, bei dem ich nur die Wörter "Brille" und "aufsetzen" als solche erkannte. Dann zitierte der Anrufer: "Zweite Frage in dem Interview: Wo drückt den Einwohnern von Wittgensdorf aktuell der Schuh?" Der Mann schwieg, ich hatte mittlerweile die Zeitung auch aufgeschlagen, die Textstelle gefunden und erkannte den Fehler. Reumütig gestand ich: "Das stimmt, richtig muss es heißen: Wo drückt die Einwohner von Wittgensdorf aktuell der Schuh?"

"Sehen Sie, und deswegen habe ich angerufen, das war's schon." Weil ich die plötzliche Stille im Kopfhörer als Ende des Gesprächs deutete, wollte ich mir schnell zur Verabschiedung noch etwas Geistreiches einfallen lassen, damit der Leser die Sache von der heiteren Seite sehen und uns diesen Fehler verzeihen kann, und deswegen sagte ich: "Den Schuh muss ich mir zwar nicht anziehen, was eindeutig auch der vierte Fall ist, aber ich werde die Kollegen natürlich darauf hinweisen." Ich lauschte, nichts; der Anrufer hatte bereits aufgelegt. Ich hätte ihn gerne gefragt, ob ich ihn in mein Expertenteam aufnehmen kann, denn mal ganz unter uns: Wer hätte diesen Fehler beim Lesen des Textes festgestellt? Ganz ehrlich?

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