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Nun ist es tatsächlich passiert: Ich kapituliere

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Bei meinen Gesprächen mit Lesern habe ich stets ein (quasi oberstes) Ziel: Ich möchte verstehen, um was es ihnen geht, was ihr Anliegen ist. Auch wenn ich nicht wirklich helfen kann, auch wenn ich tatsächlich (nur) Zuhörer bin, aber dieser Satz soll mir nach Möglichkeit von den Lippen kommen: Ich habe Sie verstanden. Heute ist mir das seit langem mal wieder nicht geglückt; wobei das Problem selbst mit keinerlei Dramatik behaftet ist. Gewurmt hat es mich trotzdem.

"Ich würde mal gerne grundsätzlich mit Ihnen über die Zeitung reden", teilte mir der Anrufer mit, wartete mein "Na, dann schießen Sie mal los" ab und sagte: "Ihre Seiten sind mir zu finselig."

Einschub: Mal ehrlich, liebe Blogleser, was war der erste Gedanke gerade? Vielleicht dieser: Was, um Himmelswillen, ist finselig? Genauso ist es mir auch ergangen, doch ich war in der Situation, auf diese Kritik einzugehen. Also weiter in dem Gespräch, ich wählte meine schon bekannte Strategie: "Können Sie mir das mal etwas näher erklären, vielleicht ein paar Beispiele nennen."

"Auf den meisten Seiten ist mir einfach zu viel Gefinsel", fügte der Leser hinzu und war damit kurz davor, mir den finalen Stoß zu versetzen, bevor ich dann sagen muss: Ich kapituliere. Doch in diesem Moment packte mich mein Ehrgeiz, so schnell aufgeben wollte ich dann doch nicht. Teil zwei der Strategie: Ich wähle die Offensive aufgrund spontaner assoziativer Signale meines Gehirns. Dieses schickte mir als Hilfestellung "fitzelig" und "Gefitzel", denn "Fitz" ist mir bekannt, weil die Spiralschnur meines Telefons damit häufig Bekanntschaft macht. Damit versuchte ich es: "Sie meinen also, es ist etwas durcheinander auf den Seiten und könnte geordneter sein?" Das aber war es nicht.

"Nein, das meine ich nicht, übersichtlich finde ich Ihre Seiten schon, nur dass es häufig vorkommt, dass ich wegen des vielen Gefinsels nicht alles ohne Mühe lesen kann." Nachdem er das gesagt hatte, war ich mir sicher, dass wir so nicht weiterkommen. Teil drei meiner Strategie: "Nehmen wir uns doch mal die Zeitung von heute vor, und Sie sagen mir, auf welchen Seiten zu viel Gefinsel ist." Die Antwort traft mich hart: "Das geht nicht, die hat schon der Nachbar, und bevor Sie danach fragen, die von gestern und vom Montag auch." Noch wollte ich hartnäckig bleiben: "Gibt es eine typische Seite, die häufiger zu finselig ist als andere?" fragte ich den Anrufer. Die gab es tatsächlich, aber ich traue mich nicht wirklich, sie zu nennen, weil die Kollegen in dem Ressort mich sonst fragen, wie sie das verstehen sollen; nun gut, es soll sein: "Die Sportseiten, da finde ich es immer besonders auffällig", sagte der Anrufer und fügte hinzu: "Vor allem dann, wenn es auf den Seiten nur um Fußball geht, vielen Mannschaftsaufstellungen und Tabellen dort stehen, dann ist mir die Seite zu finselig."

Damit war der Punkt erreicht, dass ich mein (oberstes) Ziel in immer weitere Ferne rücken sah, weshalb ich mich für das Einleiten der Schlusssequenz entschied: "Ich habe mir Notizen gemacht und werde Ihren Hinweis an die Kollegen weitergeben. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?" Der Anrufer war alles andere als verärgert, seine Stimme klang zufrieden, und er sagte: "Tun Sie das, mehr wollte ich gar nicht, das war der Grund meines Anrufs."

Nach dem Ende dieser Unterhaltung habe ich zunächst meinen Kopfhörer abgesetzt, das Kinn in die Hände gelegt, meine Augen geschlossen und mir gesagt: "Irgendwie fühle ich mich jetzt ganz schön finselig; dieses Wort klingt jedenfalls so, wie sich das anfühlt, was gerade mein Gehirn durchmacht."

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