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Klein und normal finde ich wirklich klasse
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Gerade habe ich einmal überschlagen: Es dürften mittlerweile mehr als 2000 Gespräche sein, die ich seit August vergangenen Jahres mit Lesern der "Freien Presse" geführt habe. Auf die Idee zu dieser kleinen Rechnung bin ich gekommen, weil ich immer mal wieder der Versuchung erliege, die Unterhaltungen auf Gemeinsamkeiten hin zu überprüfen und diese dann zunächst für mich selbst auszuwerten, bevor ich dann hier im Blog darüber berichte. Jetzt ist es mal wieder soweit: Zwei Personen tauchen durchschnittlich drei Mal in der Woche in den Gesprächen auf, weil die Anrufer sich auf ihre Ausstrahlungskraft berufen. Das bedeutet: Mit mehr als 100 Erwähnungen werden sie also in runf fünf Prozent aller Unterhaltungen mit Lesern genannt. Das ist wirklich eine ganze Menge. Deshalb bin ich der Meinung, weil sie gerade heute innerhalb weniger Minuten beide als beispielhafte Zeitgenossen ins Feld geschickt worden sind, sollten sie endlich einmal gewürdigt werden. Und das sind sie:
"Kleiner Mann" und "Otto Normalverbraucher". Heute tauchten sie in folgenden Sätzen auf: "Dann kann sich Otto Normalverbraucher bald überhaupt kein Benzin mehr leisten", sagte mir ein Anrufer, dem das Autofahren sehr am Herzen liegt. "Und wer muss wieder darunter leiden? Der kleine Mann, mit dem kann man es ja machen", brachte ein anderer Leser seinen Unmut darüber zum Ausdruck, dass der angekündigte Ausstieg aus der Atomenergie und die Förderung von alternativen Energien dazu führen wird, dass die Hauptlast der Kunde zu tragen hat, weil die Kosten weitergegeben und deshalb die Strompreise steigen werden.
Seit meinen Blogeintrag "Beim Papst ist niemand rangegangen" bin ich vorsichtig geworden, wenn es um die Ergebnisse meiner Recherchen im Internet geht. Deshalb sage ich in dem einen Fall: "Kleiner Mann" dürfte auf den Roman "Kleiner Mann - was nun?" von Hans Fallada zurückgehen, obwohl ich nicht eindeutig klären konnte, ob der Autor sich dabei nicht schon irgendwo anders bedient hat. Bei "Otto Normalverbraucher" bin ich mir jedoch ganz sicher, das hätte ich sogar als eingefleischter Cineast ohne Suchmaschine gewusst: Die Bezeichnung geht auf den Spielfilm "Berliner Ballade" aus dem Jahr 1948 zurück, in dem Gert Fröbe den aus dem Krieg heimgekehrten Soldaten Otto spielt, der bei der Vergabe von Lebensmittelkarten in die Kategorie "Normalverbraucher" eingestuft wird. Dies nur zur Erklärung, zurück zum Thema. Da fällt mir ein: "Otto Normalverbraucher" verwende ich selbst gelegentlich, "Kleiner Mann" habe ich nicht in meinem vorwiegend verwendeten Wortschatz.
Es geht bei diesen Gesprächen immer entweder ums Geld, weil der Bürger mit durchschnittlichem Einkommen oder Rente sich niemals mehr leisten kann, als das Budget hergibt, und er deswegen ständig sich überlegen muss, wofür er sein Geld ausgibt. Denn "Otto Normalverbraucher" kann sich das schnelle Auto nicht leisten, das Edelchronometer noch weniger, und er wohnt meistens zur Miete, fährt im Urlaub an die Ostsee, wahlweise ins Mittelgebirge oder besteigt einen Pauschalflieger. Ich habe viel Verständnis für diesen Typen, schließlich bin ich auch einer (Unterordnung "Ostsee"). Oder es geht den Anrufern um Belastungen der unterschiedlichsten Art, die der "kleine Mann" zu schultern hat, weil Menschen jenseits dieser Einordnung (vorwiegend Politiker, Verwaltungsbeamte und Banker) sie ihm zumuten und er sich nicht wehren kann; der "kleine Mann" hat keine Lobby.
Für die Verwendung von "kleiner Mann" und "Otto Normalverbraucher" habe ich großes Verständnis; so sage ich das den Anrufern zwar nicht, aber ich höre mir ihre Sorgen und Nöte an, und das reicht aus, denn solche Unterhaltungen geben mir und dem Leser fast immer das Gefühl, zumindest ein kleines Stück weiter gekommen zu sein. Manchmal frage ich zum Schluss: "Was halten Sie davon, wenn wir uns zusammen tun und eine Partei gründen?" Darüber können die Anrufer meistens lachen, einer formulierte seine Antwort als Gegenfrage: "Und wie sollen wir unsere Partei nennen?" So etwa zwei Minuten lang haben wir nach einem Namen gesucht, uns ist kein zündender eingefallen. Der Gedanke aber geht mir nicht aus dem Kopf ...
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