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Der eine singt Lieder - der andere wirft Körbe
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Bevor ich von dem einen Gespräch heute mit einem Leser berichte, möchte ich kurz erzählen, was mir vor einigen Tagen auf dem Markt in Chemnitz passiert ist; denn beides gehört zusammen, irgendwie schon, rein gefühlsmäßig auf jeden Fall.
Etwa zwanzig Meter vom äußersten Obststand auf dem Wochenmarkt entfernt steht ein Mann, spielt Gitarre und singt; ohne elektrische Verstärkung, und ich höre ihn erst richtig deutlich, als ich mich bis auf wenige Meter genähert habe. Ich blicke mich um, niemand ist stehen geblieben, ich bin sein einziger Zuhörer. Ich schaue mir den Mann etwas genauer an; das mache ich immer bei Sängern, weil ich darüber nachdenke, wie Stimme und Person zueinander passen. Bei diesem Musiker unweit von bunten Früchten aus fernen Ländern fällt mir, als ich über Worte für eine passende Beschreibung nachdenke, dieser Satz ein: Der Mann kennt das Leben auf der Straße, seit vielen Jahren schon, er lebt damit, er sieht auch wirklich so aus. Die Stimme ist kraftvoll, etwas rauchig, und vor allem wenn sie in die Höhe geht und von viel Volumen gestützt wird, glaubt man ein von viel Lebenserfahrung getragenes Strahlen zu spüren. Drei Lieder höre ich mir an, ich bin restlos begeistert. Zwei der Songs singe ich selber, aber bei weitem nicht so ausdrucksstark und mit so viel Gefühl. Dann muss ich weitergehen, die Mittagspause hat ihre Grenzen; ich hole ein paar Münzen aus meiner Hosentasche, schmeiße sie in den Hut, bevor ich mich abwende von dem Sänger und losgehen will, als plötzlich eine Idee von mir Besitz ergreift, eigentlich ist es eine Frage: Warum lebt dieser Mann auf der Straße? Warum singt er nicht in Clubs und auf kleinen Bühnen? Warum nimmt er seine Songs nicht auf und verkauft die CD? Ich weiß keine Antwort, erfahre auch keine, das ist mir schon klar, ich will mich aber auch nicht aufdrängen und ihn fragen. Nur der eine Gedanke lässt mich nicht los, macht mich doch etwas melancholisch: Dieser Mann hat vielleicht irgendwann in seinem Leben einfach nur ganz viel Pech gehabt.
Diese Geschichte ist mir wieder eingefallen, nachdem ich heute mit einem Leser über ein ganz anderes Thema gesprochen habe:
"Können Sie mir mal erklären, warum immer so viel über Dirk Nowitzki in den Zeitungen steht, auch in Ihrer?" fragte mich der Anrufer. Im ersten Moment war ich froh, weil ich diesen Namen kannte, denn der Sport gehört nicht zu meinen stärkeren Seiten. "Weil er ein bekannter und erfolgreicher Basketballspieler ist", antwortete ich in der festen Überzeugung, damit den Nagel auf den Kopf zu treffen. Wie man sich täuschen kann: "Das stimmt aber überhaupt nicht", erwiderte nämlich der Leser und fuhr fort: "Bekannt ist richtig, aber erfolgreich stimmt nicht. Dirk Nowitzki in seinem ganzen Leben noch keinen einzigen Titel gewonnen, weder in Deutschland noch in den USA, auch bei internationalen Turnieren nicht." Noch während er diese Worte sprach, gab ich den Namen des Sportlers bei Wikipedia ein und studierte die Spalte mit den Erfolgen; und der Anrufer hatte Recht: Kein Titel. "Aber sie wollen doch nicht abstreiten, dass Dirk Nowitzki ein echt guter Basketballspieler ist", sagte ich und erhielt als Antwort: "Das stimmt, aber das sind andere eben auch; selbst hier in Deutschland." Etwa fünf Minuten lang habe ich mit dem Anrufer über dieses Thema diskutiert; weil ich gleichzeitig im Online-Lexikon weitergelesen hatte, konnte ich sogar noch mit zwei Argumenten glänzen: Nowitzki ist einer der ganz wenigen Deutschen, die es als Spieler bis in die NBA (National Basketball Association) geschafft haben, und der einzige, dem dies direkt und ohne Umweg gelang; von zahlreichen Auszeichnungen unter anderem als wertvollster Spieler (NBA Most Valuable Player Award) mal ganz zu schweigen. Der Leser am Telefon beharrt auf seinem Standpunkt: "Nur Titel zählen." Nach dem Ende dieses Gesprächs bin ich etwas ins Grübeln geraten. Und ich habe mir vorgestellt, wie das wohl damals, Ende der neunziger Jahre, in Würzburg abgelaufen ist, als das Talent von Dirk Nowitzki entdeckt worden ist. Und ich musste in diesem Moment an den Straßenmusiker denken, bei dieser Vorstellung: Dirk Nowitzki hat vielleicht zu einem wichtigen Zeitpunkt in seinem Leben einfach nur ganz viel Glück gehabt.
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