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Die Woche gebloggt: Mehr oder weniger ist rein gar nichts
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Was sonst noch zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken anregte bei meinen Gesprächen mit Lesern am Telefon in dieser Woche:
Episode 1: "Sie schreiben doch manchmal über Redewendungen?" fragte mich ein Anrufer. Leidenschaftlich gerne, habe ich gedacht, gefragt aber habe ich: "Das stimmt, haben Sie eine für mich?" "Mehr oder weniger gefällt mir das nicht", erhielt ich zur Antwort und war verwirrt, zögerte einen Moment zu lange, denn der Anrufer sprach schon weiter: "Sehen Sie, Sie können damit auch nichts anfangen. Die Formulierung 'mehr oder weniger' sagt nämlich überhaupt nichts aus, das ist nur eine leere Hülse für die Aussage, dass man sich nicht auskennt. Das lese ich aber oft in Ihrer Zeitung, gerade heute wieder." Der Leser hat mir dann den Artikel genannt, in dem er von 'mehr oder weniger' gelesen hatte, und aufgelegt. Ich habe mir den Artikel im Archiv gesucht, diese Formulierung auch sofort gefunden und war gar nicht mal so sehr erstaunt: "Mehr oder weniger", hatte ein Politiker gesagt, ein regional bekannter noch obendrein.
Episode 2: "Wollen Sie mich ver...?" fragte mich ein Leser, zuvor hatte er aber noch seinen Namen genannt. Vor einigen Monaten habe ich angesichts dieses Vorwurfs noch empfindlich reagiert und meistens freundlich um einen vielleicht etwas gemäßigteren Gesprächston gebeten. Das mache ich mittlerweile nicht mehr, weil ich weiß, dass die Anrufer natürlich gar nicht mich persönlich meinen. Deshalb stellte ich auch heute die Frage, die allein schon beruhigend wirkt: "Was haben Sie denn in der Zeitung gelesen und sich darüber geärgert?" Diesen Anrufer brauchte ich auch nicht zweimal zu bitten: "Sie schreiben heute, dass der Benzinpreis eine neues Jahreshoch erreicht hat und dass der Liter Superbenzin zeitweise bis zu 1,62 Euro kostet. Und wissen Sie was?" Ich war gespannt. "Ich wohne direkt gegenüber von einer Tankstelle, und da kostet der Liter gerade jetzt im Augenblick 1,65 Euro." Wir haben uns dann noch ein paar Minuten unterhalten, vor allem darüber, wie rasant sich in unserer schnelllebigen Zeit so manche Dinge entwickeln; quasi von gestern auf heute.
Episode 3: Zwar habe ich nicht gezählt (was an sich eigentlich eher verwunderlich ist), aber diese Frage höre ich mit schon nachdenklich stimmender Regelmäßigkeit: "Können Sie mir mal erklären, warum die Angeklagten bei Gerichtsprozessen ihr Gesicht verdecken dürfen? Das sehe ich ständig im Fernsehen, aber auch in Ihrer Zeitung hat es solche Fotos des Öfteren schon gegeben." Auch diese Leserin vertrat die Ansicht, dass die Angeklagten dieses nicht tun dürfen; alle Welt soll doch wissen, wer sich da zu verantworten hat. Bevor ich den Lesern die rechtliche Lage erkläre, stelle ich immer eine Gegenfrage: "Stellen Sie sich doch bitte mal vor, Sie werden einer Straftat beschuldigt und müssen vor Gericht erscheinen, obwohl Sie genau wissen, dass Sie sich nichts zu Schulden kommen lassen haben; es handelt sich um ein Irrtum, der Richter wird das mit Sicherheit erkennen. Ein Fotoreporter der Zeitung fotografiert Sie, bevor die Verhandlung überhaupt begonnen hat, und das Bild steht am nächsten Tag zusammen mit einem Bericht in der Zeitung, lange bevor das Urteil gefällt und ihre Unschuld bewiesen ist. Wie würden Sie sich da fühlen?" Die Leserin heute hat das verstanden, was es heißt, Grundrechte zu haben und so lange als unschuldig zu gelten, bis die Schuld bewiesen ist. Das war aber in der Vergangenheit nicht bei allen Gesprächen zu diesem Thema der Fall. Und das stimmt mich jedes Mal nachdenklich.
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