Blog "Leser-Obmann": Eine Frage zum Geheimnis: Wer weiß noch davon?

Neun Anrufe gab es in den vergangenen Tagen zu diesem Thema; bei keinem habe ich Fragen beantwortet, bei keinem habe ich diskutiert. Denn in allen Fällen habe ich entweder auf die ebenso umfangreiche wie übersichtliche Berichterstattung in der "Freien Presse" hingewiesen (auch schon mal auf Anfrage die Zeitungsseiten als pdf-Datei verschickt), gleich an die Kollegen im Ressort Ratgeber verbunden oder auf die Internetseite www.zensus2011.de beziehungsweise auf die Hotline (0611-752011) hingewiesen. Damit ist klar: Es geht um die Volkszählung. Dann aber ging heute der zehnte Anruf dazu bei mir ein, und plötzlich war alles anders.

"Ich würde gerne mal mit Ihnen über das Interview heute in der Zeitung sprechen", sagte der Anrufer und löste damit große Freude bei mir aus. Denn ich war mir sicher, endlich mal einen Leser an der Strippe zu haben, mit dem ich über die Führungskrise bei der FDP reden konnte. Deshalb fragte ich zurück: "Sie meinen bestimmt das Gespräch mit dem FDP-Politiker Jan Mücke auf der Seite Kommentar & Hintergrund?" Der Anrufer war verwirrt, ich merkte das, er schwieg. "Nein, ich meine das, wo unten auf der Seite die Wetterkarte zu sehen ist." Ich höre das Rascheln von Papier. "Die Deutschen werden gezählt - genau, so lautet die Überschrift", teilte mir der Leser mit. Schnell hatte ich die Seite Ratgeber aufgeschlagen und erkannte den Grund für das Missverständnis: "Ach so", sagte ich, "es geht Ihnen um die Fragen und Antworten zum Zensus." Der Leser fühlte sich jetzt verstanden und bestätigte mir das auch: "Genau, das Interview."

"Da verbinde ich Sie gleich mal mit dem Kollegen im Ressort Ratgeber, der kennt sich mit diesem Thema gut aus", sagte ich und streckte bereits den Finger aus, um die Entertaste auf dem Telefon zu drücken, als ich im Headset einen Schrei hörte: "Nein, halt!" Dann gab es eine kurze Pause, bevor der Anrufer bekannte: "Ich wollte mit Ihnen darüber reden, mit dem Leser-Obmann, denn es ist mehr ein, wie soll ich sagen, vielleicht weltanschauliches Problem." Zuerst war ich leicht verblüfft, dann gespannt, deshalb erwiderte ich: "Dann schießen Sie mal los." Der Anrufer hat mir erklärt, um was es ihm geht, und es hat ein paar Minuten gedauert, bis ich sein Anliegen verstanden habe. Deshalb beschränke ich mich jetzt ausnahmsweise mal auf die Zusammenfassung:

Auf der einen Seite heißt es in dem Artikel: Die Behörden versichern, dass alle Daten geschützt sind. Alle individuellen Angaben bleiben demnach geheim. Auf der anderen Seite ist zu lesen: Wer Angaben verweigert, falsch macht oder die Antwortfrist versäumt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Und der Anrufer fragt sich nun: Kann etwas geheim sein und bleiben, wenn es jemanden gibt, der überprüft, ob die Angaben falsch sind?

Dies ist eine Warnung: Ich war auch der Versuchung erlegen, vorschnell zu antworten, mir die Sache einfach zu machen und zunächst mal davon auszugehen, das eine habe mit dem anderen doch nichts zu tun. Doch dann habe ich zuerst mit dem Anrufer diskutiert, dabei intensiv nachgedacht und versucht, die wichtigsten Parameter meines Verständnisses von Logik anzuwenden. Bis ich mich zu diesem Geständnis durchgerungen habe: "Ich weiß es nicht." Ich habe anschließend noch mit Kollegen darüber gesprochen, wirklich weitergekommen bin ich aber noch nicht. Vielleicht kann mir jemand dabei helfen, aber ich will es noch einmal betonen: Die Sache ist wirklich nicht so einfach, wie sie im ersten Moment erscheint.

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