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Gefährlich: Liegt auf dem Tisch und ist drei Tage alt
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Die Frau am Telefon ist aufgeregt, sie hat sich über die Kolleginnen im Service-Center mit einem "ernsten Problem" an mich weiter verbinden lassen. Nur mit Mühe gelingt es mir, sie dazu zu bewegen, sich kurz vorzustellen. Das macht sie auch, doch dann endlich kann sie sagen, was sie bewegt, ihr Sorgen bereitet: "Vor mir auf dem Tisch liegt eine Gurke." Anschließend erfahre ich weitere Details. Die Anruferin hat noch einmal im Supermarkt ihres Vertrauens nachgefragt, und das Gemüse des Großhändlers kommt aus Holland. "Das ist zwar nicht Spanien, aber auch nicht weit weg von Norddeutschland", ergänzt die Anruferin, bevor sie mir die nächste Information mitteilt: "Die Gurke ist jetzt drei Tage alt, und ich weiß nicht, was ich machen soll."
Angesichts der Angst vor der Ehec-Seuche habe ich dafür vollstes Verständnis und gebe meine Empfehlung ruhigen Gewissens ab: "Nicht essen und wegschmeißen." Damit aber habe ich eindeutig nicht das gesagt, was die Anruferin hören wollte. "Das weiß ich auch, deshalb rufe ich aber nicht an", erwidert sie, und ich höre ihrem Tonfall deutlich an, dass sie sich ein bisschen ärgert, weil ich davon ausgegangen bin, dass sie nicht weiß, wie man sich zurzeit gegenüber dem rohen Gemüse zu verhalten habe. Ihr Problem ist ein anderes: "Aber wie soll ich die Gurke entsorgen? Wenn da einer von diesen gefährlichen Keimen dran ist, kann ich sie doch nicht einfach in den Biomüll tun. Stellen Sie sich doch mal vor, die Bakterien wachsen da friedlich vor sich hin und richten womöglich noch größeren Schaden an."
Damit bin ich überfordert. Die Anruferin bitte ich kurz um Geduld, gehe auf dem Flur fünf Zimmer weiter, bitte die für Gesundheitsfragen zuständige Kollegin um Rat, gehe anschließend zurück in mein Büro, setze den Kopfhörer mit Mikro wieder auf und sage: "In den normalen Hausmüll mit der Gurke. Der wird verbrannt, damit ist gewährleistet, dass mögliche Bakterien nicht mehr in die Nahrungskette gelangen." Die Frau am Telefon überlegt einen Moment, bevor sie mich fragt: "Sind Sie da ganz sicher?" Weil ich nicht sofort antworte, da ich mit mir um eine Formulierung ringe, die mein Gewissen nicht zu sehr belastet, spricht die Leserin weiter: "Also gut, aber ich packe die Gurke in eine Plastiktüte und klebe sie zu; dann kann nichts mehr raus." Abschließend habe ich der Anruferin noch versichert, die Redaktion über dieses Problem zu informieren, damit eventuell mal ein Artikel darüber in der Zeitung stehen kann.
Eine Stunde später sitze ich beim Mittagessen und finde in meiner Mahlzeit (Brot und Käse) ein Stück rohe Paprika. Verstohlen sehe ich auf, aber es schaut niemand zu mir her, und gerade als ich das Gemüse entfernen will, kommt mir dieser Gedanke: "Jetzt ist aber Schluss, ich lass mich von dieser Hysterie nicht anstecken." Heldenhaft schiebe ich das Paprikastück zurück und vertilge es mit dem nächsten Bissen. Zufrieden greife ich zur Serviette, als ich sehe, wie sich eine Frau an den Nachbartisch setzt, ihre Handtasche aufmacht, hineingreift und eine weiße Flasche herausholt, um sie vor sich auf den Tisch zu stellen. Den blauen Schriftzug kann ich sogar aus der Entfernung ohne Brille lesen: "Sagrotan."
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