Regionale Nachrichten und News mit der Pressekarte
Sie haben kein
gültiges Abo.
Regionale Nachrichten und News
Schließen

Spektakel hin, Spektakel her: Muss der Zirkus sein?

Schon gehört?
Sie können sich Ihre Nachrichten jetzt auch vorlesen lassen. Klicken Sie dazu einfach auf das Play-Symbol in einem beliebigen Artikel oder fügen Sie den Beitrag über das Plus-Symbol Ihrer persönlichen Wiedergabeliste hinzu und hören Sie ihn später an.
Artikel anhören:

Von den "klassischen" Eröffnungen mag ich diese besonders: "Ich würde gerne mal mit Ihnen über ein Wort reden, das ich in der Zeitung gelesen habe", sagte mir eine Anruferin und fügte nach einer kurzen Pause hinzu, betont freundlich und kein bisschen aufgeregt, geschweige denn verbittert: "Ich habe mich schon ein bisschen geärgert." Doch diesmal passierte etwas, was nicht gerade besonders häufig vorkommt, aber doch so ungewöhnlich wiederum auch nicht ist: Manchmal nehmen solche Unterhaltungen eine völlig unerwartete und vor allem erfreuliche Wendung. Innerhalb weniger Sekunden dreht sich die Stimmung, weil plötzlich etwas Thema ist, was mit der Kritik des Anrufers eigentlich überhaupt nichts zu tun hat; einfach so. Das ist dann meistens gar nicht einmal direkt meine Absicht gewesen, und der Leser hat schon gar nicht damit gerechnet, doch umso mehr gibt es dem Anrufer ein gutes Gefühl; und mir nicht weniger. Wie in diesem Fall:

"Einen der Berichte über den Kirchentag in Dresden ergänzen Sie unter der Überschrift 'Das Spektakel in Zahlen' um weitere Informationen. Und ich würde jetzt gerne mit Ihnen darüber diskutieren: Finden Sie wirklich, dass der Kirchentag ein Spektakel war? Also ich finde dieses Wort einfach respektlos", erklärte mir die Anruferin ihr Anliegen. Kurz habe ich darüber nachdenken müssen, dann war mir klar: Spektakel kann meiner Meinung nach durchaus negativ gemeint sein; beispielsweise wenn ich manchmal gerne zu meinem Chef sagen würde: Machen Sie mal nicht so viel Spektakel darum. Aber bei der Bezeichnung für eine Veranstaltung, bei der viel los war und viele Leute viel Spaß hatten, finde ich Spektakel fast schon ein Qualitätsmerkmal (bei dem, wenn Grönemeyer nächste Woche in Leipzig ist, würde ich wirklich gerne dabei sein). Genauso habe ich das der Anruferin erklärt, und dann hat sie den Satz gesagt, der die Wende in dem Gespräch gebracht hat: "Zirkus ist für mich Spekaktel."

Denn ich habe darauf erwidert, genau so und ohne groß über diese Formulierung nachzudenken: "Zirkus ist kein Spektakel, sondern nur großer Mist. Man sollte Zirkus verbieten." Die Frau am Telefon sagte einen Moment lang nichts, vermutlich doch etwas schockiert wegen meiner direkten Worte, dann aber fragte sie nach: "Wie meinen Sie das? Geht nicht die halbe Welt gerne in den Zirkus?" Mit einem Satz habe ich erklären können, was ich meinte: "Ich kann einfach nicht mit ansehen, wie man dressierte Tiere einer jubelnde Menge vorführt, und ich finde das ziemlich schlimm." Diese ehrliche Bekenntnis hat die Leserin zweifelsohne überrascht, auch für ein paar Sekunden sprachlos gemacht, dann aber hat sie mich gefragt: "Haben Sie etwas Zeit? Ich würde gerne länger mit Ihnen über dieses Thema reden." Etwa zehn Minuten lang haben wir uns noch unterhalten; am Ende über Werte, die ihr wichtig sind, und über Weltanschauungen, die ich gut finde. Zum Schluss habe ich noch gesagt "Das mit dem Spektakel auf der ersten Seite der Zeitung gebe ich an die Kollegen weiter." Die Anruferin hat gelacht und meinte: "Lassen Sie mal, muss nicht sein, habe ich schon vergessen. Vielen Dank für das Gespräch."

Weitere Blog-Einträge

Icon zum AppStore
Sie lesen gerade auf die zweitbeste Art!
  • Mehr Lesekomfort auch für unterwegs
  • E-Paper und News in einer App
  • Push-Nachrichten über den Tag hinweg
Nein Danke. Weiter in dieser Ansicht.