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Ganz schön gefährlich: Gleichzeitig denken und sprechen
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"Der Mensch wächst an seinen Herausforderungen", habe ich (selbstverständlich charmant lächelnd) heute Morgen der Verkäuferin in der Bäckerei gesagt, nachdem sie (der Verzweiflung nahe) fast zwei Minuten lang versucht hatte, das neue Kassensystem zu begreifen, um mir das Geld für drei Körnerbrötchen abnehmen zu können. "Gabi, kannst Du mir mal helfen?", brachte dann die Lösung und entspannte die Situation sofort, nicht ohne dass die nette Fachangestellte für Backwaren (jetzt selbst mit einem Lachen im Gesicht) zu mir sagte: "Sie haben ja Recht, aber Geduld gehört nicht zu meinen stärkeren Tugenden." Weil ich der einzige Kunde war, haben wir dieses Thema noch eine Weile erörtert. Bevor ich dann meinen Weg fortsetzte, etwa zehn Minuten später an meinem Schreibtisch saß, die nette Unterhaltung schon fast wieder vergessen hatte, als sie mir dann mit Nachdruck wieder einfiel. Denn der erste Anrufer um kurz nach Zehn hatte dieses Anliegen:
"Ich wünsche mir mehr nationales Bewusstsein. Darüber würde ich gerne mit Ihnen reden, vielleicht können Sie mir da helfen." In diesem Moment passierte etwas, was mich schon früher das eine oder andere Mal bei Gesprächen mit Lesern am Telefon in schwierige Situationen gebracht hat: Ich denke und spreche aus, was mein Gehirn durchwandert. Also sagte ich (halblaut, aber doch deutlich zu verstehen): "Der Mensch wächst an seinen Herausforderungen." In diesem Fall aber hatte ich wirklich Glück, der Mann am Telefon sagte zunächst nichts weiter; sein Schweigen war meine Rettung, denn so konnte ich sagen: "Können Sie mir das, um was es Ihnen geht, nach Möglichkeit mit ein paar Beispielen erklären?"
Das konnte der Anrufer tatsächlich, und entgegen meiner Befürchtung, es könnte ein eher heikles Gespräch über politische beziehungsweise weltanschauliche Ansichten werden, entwickelte sich dann doch eine völlig problemlose und tatsächlich entspannte Unterhaltung, weil der Leser nämlich mit seiner ersten weiteren Erläuterung sein Anliegen präzisierte: "Mir geht nämlich die viele englische Musik im Radio furchtbar auf den Geist, die Sender sollten viel mehr deutsche Titel spielen. Haben Sie eine Idee, was man da machen kann?" Zwar hatte der Anrufer noch nichts von der Diskussion gehört, die sich in Deutschland alle paar Jahre mal wieder hochschaukelt und in der es um die Forderung geht, eine verbindliche Radioquote für deutschsprachige Titel einzuführen (Heinz-Rudolf Kunze war in der Vergangenheit einer der Verfechter davon), aber wir haben doch noch ein paar Minuten darüber gesprochen und ich habe es sogar geschafft, ihn für die Idee zu gewinnen, einmal darüber nachzudenken, dass es nicht die Sprache der Texte ist, die gute von schlechter Musik unterscheidet.
Abschließend habe ich dem Leser, wie allen Anrufern gestern und heute, vorgeschlagen, mich doch mal beim Pressefest am Wochenende zu besuchen, damit man sich auch mal von Angesicht zu Angesicht sieht und in lockerer Atmosphäre etwas plaudern kann. Wer jetzt vermutet, ich würde hier mit einem Zaunpfahl winken, darf sich auf die Schulter klopfen, denn er hat mich ertappt: Morgen und am Sonntag bin ich jeweils ab Mittag beim Pressefest (im Küchwald in Chemnitz) im Pressezentrum und würde mich freuen, mit Lesern ins Gespräch zu kommen. Also, bis dann: Der Mensch wächst an seinen Herausforderungen.
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