Regionale Nachrichten und News mit der Pressekarte
Sie haben kein
gültiges Abo.
Regionale Nachrichten und News
Schließen

Und ich frage mich: Was würde Wagner dazu sagen?

Schon gehört?
Sie können sich Ihre Nachrichten jetzt auch vorlesen lassen. Klicken Sie dazu einfach auf das Play-Symbol in einem beliebigen Artikel oder fügen Sie den Beitrag über das Plus-Symbol Ihrer persönlichen Wiedergabeliste hinzu und hören Sie ihn später an.
Artikel anhören:

Diese Eröffnung ist mir fast die liebste: "Ich habe da mal ein Problem mit einem Wort in Ihrer Zeitung", sagte der Anrufer. (Nebenbei möchte ich bemerken, dass ich hier schon lange nicht mehr von solchen Gesprächen mit Lesern berichtet habe, obwohl sie tatsächlich fast täglich in den unterschiedlichsten Varianten stattfinden.) Aber jetzt habe ich mich wieder einmal dazu entschlossen. Weil ich mir nämlich gesagt habe, und das ist bestimmt nicht verkehrt: Heute lernen wir alle (vor allem ich) etwas dazu.

Also bat ich den Leser, weil er mir das Wort so ohne weiteres nicht einfach sagen wollte, sondern weil er mir angesichts der Bedeutung seines Anrufs den gesamten Kontext der Verwendung dieses Begriffs vorlesen wollte, mir die Ausgabe und die Seite zu nennen, nach Möglichkeit noch die Überschrift vorzulesen. Das hat er getan: "Schaulaufen auf dem Grünen Hügel" auf der Seite "Aus aller Welt" am Dienstag, 26. Juli 2011. Auch wenn es in diesem Fall nicht das richtige Ressort war, so kam mir doch spontan der Gedanke: Was wäre ich ohne die Kultur ... Aber ich schweife schon wieder ab, deshalb jetzt der Satz: "Der Venusberg glich einem Gefängnis, das Puppen in Spermakostümen umtanzten", zitierte der Anrufer, und mir war klar, was mich erwartet: Die Nennung der Samenflüssigkeit geht gar nicht, in der Zeitung nicht und in Zusammenhang mit der Eröffnung der Wagner-Festspiele in Bayreuth und der Premiere der Oper "Tannhäuser" schon mal gar nicht. Und ich sollte Recht behalten.

Auf die die kurze, aber leidenschaftliche Diskussion darüber, ob das Vokabular zur Beschreibung moderner Interpretationen von etablierter Kunst das Wort "Samenkostüm" nicht vielleicht doch verträgt, will ich jetzt gar nicht weiter eingehen. Denn das Gespräch endete mit dem Hinweis des Lesers: "Bitte richten Sie dem Redakteur aus, dass ich angerufen habe und dass ich meine, dass dieses Wort an dieser Stelle völlig unangebracht ist." Dies zu tun habe ich dem Anrufer zugesagt. Dann hat er aufgelegt, ich behielt meine Körperhaltung noch zehn Sekunden bei: Die linke Hand stützt das Kinn, die rechte liegt über dem rechten Auge, der Kopf leicht geneigt. Ach, dachte ich und wollte gerade seufzen, als mir eine Idee kam: Samenkostüm - was passiert wohl, wenn ich die Suchmaschine im Internet damit füttere und die Option "Bilder" wähle?

Gedacht, getan, gelernt: Das Samenkostüm ist keine Schöpfung eines ambitionierten Feuilletonisten, wie ich vermutet hatte, weil mir dieses Wort vorher noch nicht untergekommen war, sondern es ist eine offenbar höchst beliebte Möglichkeit, sich in der Faschingszeit als Samenzelle zu verkleiden; man kann das Samenkostüm im Netz problemlos bestellen. Ob es eine Ähnlichkeit mit einem Spermium hat, möge jeder für sich selbst entscheiden. Ich will jedenfalls gar nicht darüber nachdenken, welche zotigen Witze man damit auf der Tanzfläche machen könnte; das ist einfach nicht mein Ding.

Weitere Blog-Einträge

Icon zum AppStore
Sie lesen gerade auf die zweitbeste Art!
  • Mehr Lesekomfort auch für unterwegs
  • E-Paper und News in einer App
  • Push-Nachrichten über den Tag hinweg
Nein Danke. Weiter in dieser Ansicht.