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Nicht häufig, aber ab und zu: Ich bin sprachlos

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Wie ich diesen Moment beschreiben beziehungsweise dieses Gefühl, das mich für einige Sekunden ausfüllte, vielleicht in meinem Bemühen lähmte, mich auf das nächste Gespräch zu konzentrieren, in Worte fassen soll, weiß ich noch nicht wirklich. Mir fehlt einfach noch das passende Wort dafür. Aber ich erzähle einfach mal, was passiert ist.

Dazu muss ich zunächst erklären: Wenn Leser mir ihre Meinung zu einem Thema schreiben, über das in der "Freien Presse" ein Artikel zu lesen war, und wenn sie wollen, das sie als Leserbrief veröffentlicht wird, dann sind zwei Dinge wichtig: Erstens muss ich wissen, dass es diese Person wirklich gibt, und ich brauche deswegen eine Anschrift. Damit hat es in der Vergangenheit eigentlich auch noch nie wirklich größere Probleme gegeben, weil die Leser, die ich um die Kontaktdaten bitte, dafür eigentlich immer Verständnis haben. Zweitens muss ich sicher sein, dass der Leser weder einer politischen Partei angehört oder sogar ein Mandat hat und nur deswegen die Meinung quasi als Sprochrohr in der Zeitung lesen will, noch dass er (in vollem Umfang der Bedeutung dieses Wortes) sich als Lobbyist bei mir meldet.

Und manchmal lass ich wirklich nicht locker, um beide Punkte zu klären; neben Recherchen im Internet spreche ich auch viel mit Kollegen vor allem in den Lokalredaktionen, ob sie diese oder jene Person zufällig kennen, die sich mit einem Leserbrief an die Zeitung gewandt hat. Denn auf keinen Fall passieren darf, dass sich Leser mit ihrer Meinung hinter einem falschen Namen verstecken oder auf diese Weise die wahren Gründe für ihre Meinungsäußerung verschleiern wollen. Wer nicht akzeptieren will, dass Leserbriefe niemals ohne Namen veröffentlicht werden, muss dann leider darauf verzichten, seine Meinung in der Zeitung zu lesen. Das alles mag jetzt ziemlich kompliziert klingen, im Grunde genommen will ich darauf hinaus:

Ich erhalte eine Mail mit einer interessanten und auch wichtigen Meinung zu einem Artikel in der Zeitung. Vom diesem Leser gibt es nur den Namen und eine Mailadresse.

Ich schreibe eine Mail zurück und bitte um die Anschrift.

Der Leser schreibt zurück und nennt mir Straße und Wohnort. Die Angaben wecken Zeifel bei mir; dafür gibt es die unterschiedlichsten Gründe.

Also schicke ich noch mal eine Mail und bitte den Leser darum, mich anzurufen, weil ich eine Frage habe.

Der Leser ruft mich an, auf dem Display steht "Amt" (für unterdrückte Nummer).

Ich rede mit dem Leser über das (schon ziemlich brisante) Thema und erkläre ihm, wie wichtig es ist, dass ich mir bei seiner Person ganz sicher bin, dass er auch mit seinem Namen zu diese Meinung steht; denn ich möchte sie wirklich gerne drucken.

Der Mann am Telefon hat dafür Verständnis, schließlich hat er mich ja angerufen und wir reden darüber.

Deswegen bin ich mir dann auch ganz sicher, dass es kein Problem sein wird, mit meiner letzten Bitte auch die letzten Zweifel auszuräumen: "Dann geben Sie mir doch bitte noch Ihre Telefonnummer."

Schweigen. Etwa fünf Sekunden später höre ich diesen Satz: "Das ist ja wie bei der Stasi", sagte der Leser und legte auf.

Was ich gedacht und gefühlt habe - dafür fehlt mir noch immer ein passendes Wort. Nur eins weiß ich: Ich war sprachlos, eine ganze Weile lang.

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