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...habe ich in einer Nische getanzt

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Interessensmäßig befinde ich mich in Chemnitz in einer Nische. Ich tanze nämlich argentinischen Tango. Auch in anderen deutschen Städten ist das ein Nischen-Hobby, es sei denn man geht in die Hauptstadt. Doch in Chemnitz ist die Nische, in Relation zur Einwohnerzahl, besonders klein. Es gibt zwar die Möglichkeit, den Tanz hier zu lernen, vorausgesetzt, man hat einen Partner. Das Gelernte dann in schöner Atmosphäre auch mal anzuwenden, auf einer sogenannten Milonga, das ist hier schwer. Für mich fühlt sich das so an, als hätte man einem Fernsehsüchtigen das Antennenkabel geklaut.

Nun hatte ich am Mittwochabend das Glück, Besuch von einem spanischen Freund, Pablo, zu haben, der sehr gut Tango tanzt. Das war endlich die Gelegenheit, den Kurs, den es Mittwochs in den Räumen des Weltechos gibt, auszuprobieren. Da wir nicht erst seit kurzem tanzen, entschieden wir uns für den Kurs für Fortgeschrittene. Vorher allerdings wollten wir die leeren Mägen im "Don" füllen.

Die Terrasse ist gut besetzt, drinnen ist es aber leer. Als wir bestellen, werden wir darauf hingewiesen, dass es etwas länger dauern wird, weil so viel los sei. Wir wählen darum das Essen aus, von dem die Kellnerin verspricht, dass es am schnellsten auf dem Tisch steht. Schon verständlich: Es sind durchschnittlich viele Gäste da, weil das Thermometer im August über 20 Grad anzeigt. Davon kann man schon mal überrascht sein. Wie dem auch sei, das Essen ist wirklich lecker. Nur können wir nicht alles bewältigen, weil wir sonst den Kurs verpassen. "Wir machen das eben wie die Argentinier und kommen einfach eine Viertelstunde zu spät", schlägt Pablo vor und will damit sicher nur von der spanischen Unpünktlichkeit ablenken. Dann schnell noch eine Olive in den Mund gesteckt, und schon hasteten wir zum Weltecho.

Dort der Kulturschock: Draußen volle Terrassen und Sonnenschein, im Weltecho ein finsterer Raum und außer den Lehrern nur drei Tanzpaare. Die jüngste Schülerin ist allermindestens zehn Jahre älter als ich. Die Tanzlehrer Peter und Daniela schauen uns so an, wie Kinder gucken würden, wenn am 24. Dezember der Osterhasen und nicht der Weihnachtsmann vor der Tür stünde. Wir stellen uns kurz vor und dürfen dann mitmachen. Zu Beginn ist das, was gerade geübt wird, etwas langweilig für uns, und Pablo versteht Peters Dresdner Dialekt nicht so gut. Aber dann gehen die Lehrer auf unsere Bedürfnisse ein, Peter erklärt Pablo alles auf Englisch, und der fängt richtig an zu schwitzen. Die Zeit scheint in diesem Raum stehen geblieben zu sein. Zumindest lässt der Umstand, dass die Musik aus einem echten Kassettenrekorder kommt, das vermuten. Nach 90 Minuten haben wir wirklich Neues gelernt, nützliche Tipps bekommen, und Peter und Daniela fragen uns etwas aufgeregt aus, woher wir so plötzlich aufgetaucht sind und ob wir jetzt öfter kommen.
Mittwochs gibt es auch einen Anfängerkurs, den im Schnitt immerhin drei Paare besuchen. Dann erzählt Peter noch vom Voxxx und von der guten alten Zeit, als es dort noch eine größere Tangoszene gab. Ungefähr einmal in der Woche sagt jemand mit sehnsüchtigem Glanz in den Augen einen Satz, der mit "Früher im Voxxx..." beginnt, zu mir. Das schien ja wirklich eine Art Schlaraffenland zu sein. Schade, dass ich das nicht mehr erleben darf.

Nach dieser Unterhaltung ist die Stimmung etwas gedrückt, als wir wieder auf der Straße stehen. Aber wir lassen uns von den weißen Zelten am Uferstrand anziehen. Hier sind wieder junge Menschen! Gemütlich schlürfen wir einen Caipirinha im Strandkorb (eine deutsche Erfindung, die der Spanier noch nie gesehen hat) und fühlen uns gleich wieder etwas urbaner.

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