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Es geht ums Prinzip, um mehr nicht
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An die ersten drei Gespräche vor Monaten kann ich mich nur noch vage erinnern; das liegt weniger an meinem schlechten Gedächtnis, als vielmehr an dem Thema, für das ich (wegen meiner Neigung, alles gerne einordnen zu wollen) die Rubrik "Alltagsärger" gewählt habe. Hinzufügen muss ich noch: Leser mit solchen Anliegen sind nicht gerade selten zwischen 10 und 12 Uhr am Telefon. Dieser Anrufer aber war anders, das will ich gerne erklären:
Das erste Gespräch lässt sich leicht auf den Punkt bringen: "Ich habe Ärger mit dem Supermarkt in unserer Straße und möchte mich beschweren, aber die Verkäuferinnen dort wiegeln mich immer einfach ab", sagte der Leser. Sein Unmut bezog sich darauf, dass er mit der Renovierung des Discounters nicht einverstanden war; also vermutlich kein Ärger, den nur er als solchen empfindet; aber auch kein Problem, das nach einer investigativen Recherche verlangt. Also lautete mein Rat: "Schreiben Sie einen Brief an die Konzernzentrale." Das war zwar nicht das, was er erwartet hatte, aber er stimmte zu, dass das zumindest keine schlechte Idee sei und versprach, ein solches Schreiben loszuschicken.
Das zweite Gespräch (etwas zwei Wochen später) war kürzer: "Keine Antwort von der Zentrale, keine Veränderung in dem Laden", teilte mir der Leser mit und fügte hinzu, dass er mit Nachbarn gesprochen habe und diese das Problem ähnlich sehen, sich gleichfalls ärgern würden. Also habe ich doch den zweiten Schritt eingeleitet: Ich habe die Kollegen in der Lokalredaktion angerufen und sie gebeten, sich die Sache doch einfach einmal anzuschauen und darüber nachzudenken, ob man nicht darüber mal etwas schreiben könnte.
Das dritte Gespräch war dann Tage später mit einer Erfolgsmeldung verbunden: "Die Lokalredaktion hat wohl offensichtlich etwas unternommen, denn man hat jetzt tatsächlich etwas verändert in dem Supermarkt, damit kann ich gut leben", sagte der Leser. Auch ich war zufrieden, aber ich habe damals dann ganz vergessen, die Kollegen zu fragen, was beziehungsweise ob sie überhaupt etwas herausbekommen haben und ob was für einen Bericht in der Zeitung gereicht hat.
Die vierte Reaktion des Lesers war ein Brief, den er mir geschrieben hat und in dem er mir mitteilt, dass er die Zeitung in der Verantwortung sieht, sich für den einfachen Mann von der Straße einzusetzen, wenn er gegen offensichtliche Ungerechtigkeiten in der Welt ankämpft. Gleichzeitig hat er mir eine kleine Liste von Unternehmen und Behörden geschickt, mit denen er gerade eine Auseinandersetzung ausficht. Ob ich da nicht mal intervenieren könne.
Dann war ich im Urlaub, als ich wiederkam lag erneut ein Schreiben auf meinem Schreibtisch: "Sind Sie etwa auch einer von denen, die nicht einmal antworten?" Selbstverständlich habe ich dem Leser sofort einen Brief geschrieben.
Heute hat er angerufen: "Alles wunderbar, wir beide kommen gut miteinander aus." Wir haben dann noch etwas über die von ihm angeführten Probleme gesprochen und unter anderem die Frage erörtert, ob der Vorsitzende einer Partei, die im Bundestag sitzt, ihm zumindest den Eingang eines Briefes bestätigen muss. "Das gehört sich doch, oder nicht?", fragte mich der Mann am Telefon. Als ich gerade auflegen wollte, folgt noch eine weitere Frage: "Kann ich Sie noch um einen Gefallen bitten?" Mir schwante nichts Gutes. "Können Sie mal wegen des Supermarktes in der Zentrale anrufen, die haben doch auch nicht auf meinen Brief geantwortet?" formulierte er sein Anliegen. Ich antwortete: "Aber das Problem existiert doch gar nicht mehr."
Dieser Leser ist eben anders: "Es geht mir doch ums Prinzip." (Fortsetzung folgt)
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