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Frau fragt Mann: Will ich das wissen?

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Immer mal wieder gerate ich in die Situation, dass ich eine ganz bestimmte Frage beantworten soll: "Wie ist das denn so bei den Gesprächen mit Lesern am Telefon, wie fühlst Du Dich dabei, ist das nicht manchmal ganz schön anstrengend und braucht man da nicht gute Nerven?" formulierte sie gestern eine Kollegin. Manchmal antworte ich dann mit einer Gegenfrage: "Meinen Blog liest Du nicht, oder?" Diesmal habe ich darauf verzichtet, weil ich sie nicht in Verlegenheit bringen wollte; so gut kennen wir uns (noch) nicht. Manchmal reizt es mich aber, meinem Gegenüber es spüren zu lassen, wie man sich von Zeit zu Zeit fühlt; nicht boshaft gemeint, sondern der Anschauung dienend. Weil ich an diesem Tag zuvor wieder einen von diesen ganz besonderen Anrufen bekommen hatte, konnte ich der Versuchung bei dieser Unterhaltung (zwischen "auf den Fahrstuhl warten" über "Fahrt in den dritten Stock" bis zu "hier müssen wir uns trennen") nicht widerstehen. Also sagte ich, für die Kollegen völlig unvorbereitet:

"Ich erkläre Dir jetzt mal, was eine Fuge ist." Die Reaktion: "Warum?" Meine Antwort: "Weil auf der Kulturseite unserer Zeitung ständig von klassischen Konzerten berichtet wird und weil dort häufig zu lesen ist, dass eine Fuge zu hören war. Ich gehe davon aus, dass kaum jemand wirklich weiß, was eine Fuge ist und wie sie funktioniert beziehungsweise strukturell aufgebaut ist; auch Du nicht. Und weil Du auch in der Redaktion dieser Zeitung arbeitest, ist es wichtig, dass Du weiß, was eine Fuge ist, falls Du mal danach gefragt wirst." Die Kollegin schaute mich an, große Augen, offener Mund, rote Lippen, eine Haarsträhne über dem linken Auge und sagte: "Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich das jetzt wirklich hören will." "Das ist mir egal, ich erkläre Dir das jetzt einfach mal", erwiderte ich und legte los (ein Thema, bei dem ich mich wirklich auskenne): "Da wäre zunächst einmal der Kontrapunkt", sagte ich, bevor ich von erstem und zweiten Thema sprach, das Prinzip der Durchführung erklärte, und als gerade näher auf die Modulation im Zwischenspiel eingehen wollte, sagte die Kollegin: "Oh, wir sind da, hier muss ich rein. Ich hätte Dir wirklich noch gerne länger zugehört." Sie lachte und öffnete die Tür zu ihrem Büro; ich war ohnehin (ihretwegen) ein Stockwerk zu weit nach oben gefahren. Doch ich hielt sie noch zurück, natürlich nur verbal: "Darf ich Dir noch eine abschließende Frage stellen: Wie hast Du Dich gerade gefühlt, als ich Dir von diesem Kompositionsprinzip erzählt habe?" Nun hielt die Kollegin inne, betrat ihr Zimmer noch nicht, schaute mich an und sagte: "Ich war ge..." An dieser Stelle sprach Sie nicht weiter, sondern lächelte mich an und fügte hinzu: "Aha, jetzt verstehe ich, alles klar, ich wünsche Dir noch einen schönen Tag." Damit war unsere Unterhaltung beendet.

Das fand ich schade, weil ich hätte ihr gerne noch von dem Anrufer am Vormittag erzählt, der fast zehn Minuten lang gesprochen hatte, ohne dass ich eine Chance bekam, ihn zu unterbrechen. Nachdem er sich vorgestellt hatte, sagte er: "Ich erkläre Ihnen jetzt mal, wie das weltweite Finanzsystem wirklich funktioniert, was der wahre Grund für die Krise des Euros ist, warum Griechenland tatsächlich von der Pleite steht und was die einzige Lösung ist, um das Problem ein für alle Mal zu lösen." Meine Reaktion: "Warum?" Seine Antwort: "Weil auf der Politikseite ihrer Zeitung ständig ..."

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