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Von vollen Gefäßen und schönen Stoffen

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Für das, was ich heute mit den Lesern besprochen habe, gibt es keine verbindende Einleitung; es muss auch mal ohne gehen. Nur diese Bemerkung sei mir gestattet: Niemand hat mich angerufen, um mir seine Meinung dazu zu sagen, dass viele Bischöfe in Deutschland spritschluckende Limousinen fahren (Seite 1). Das hat mich doch gewundert. Ansonsten gab es dies:

Episode 1: "Die Schrift in der Zeitung ist mir zu klein, ich kann sie kaum noch lesen", sagte mir eine Leserin. Ich habe ihr erklärt, dass die Schrift seit fast einem Jahr gleich groß ist und dass niemand hier einen Knopf in der Hand hat, mit dem man je nach Geschmack oder Notwendigkeit die Punktgröße regulieren kann. "Aber an manchen Tagen fällt mir das Lesen viel schwerer, da muss dann doch beim Drucken etwas passiert sein", erwiderte die Anruferin. Mir war klar: Da war es wieder, mein Problem - wie bringe ich es dem Leser schonend bei, dass ...? Also habe ich die Leserin einfach plaudernd in ein Gespräch über das Leben an sich verwickelt und irgendwann im Nebensatz erzählt, dass ich schon längst eine neue Brille brauche, weil die alte zu schwach ist. Das war der Anfang, der Rest war nicht so schwierig, wir haben uns gut verstanden. Denn in einem waren wir uns einig: Älter werden ist nicht schön.

Episode 2: "Ich liege im Krankenhaus und kann gerade telefonieren, weil niemand im Zimmer ist", teilte mir ein Leser mit, nachdem er vom Servicecenter der Zeitung mit mir verbunden worden war. Sein Anliegen konnte er klar und unmissverständlich formulieren: "Wie ich hier behandelt werde - das ist ein Skandal." An dieser Stelle habe ich den ersten Versuch unternommen, den Redeschwall zu unterbrechen, aber es gelang mir nicht. Erst nachdem ich erfahren habe, dass beispielsweise gerade heute das nicht gewechselt wird, was ausgetauscht werden muss, wenn es voll ist, obwohl er mehrfach die Schwestern darauf hingewiesen habe, kam ich endlich zu Wort: "Ich gebe Ihnen jetzt mal die Telefonnummer von der kostenlosen Hotline der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland. Dort sprechen sie mit Experten, die Ihnen auf jeden Fall weiterhelfen können." (Es gab schon häufiger solche Anrufe, ich war also nicht ganz unvorbereitet). "Sie wollen also über diesen Skandal nicht schreiben?", fragte mich der Anrufer, mit meiner Reaktion wohl nicht ganz zufrieden. Und manchmal kann ich auch hart sein: "Nein", habe ich gesagt und mich freundlich verabschiedet.

Episode 3: "Ich habe eine Frage zu einem Artikel auf der Seite Zeitgeschehen", sagte eine Leserin und nannte mir die Überschrift: "Eine Schürze überlebt den Sozialismus." In dem Beitrag ging es um eine kleine Firma, die den DDR-Dederon-Klassiker noch herstellt und damit Erfolg hat. Einen Moment lang schwieg die Frau, doch dann sprach sie es aus: "Ich hätte gerne die Telefonnummer von diesem Unternehmen." Manchmal kann ich Gesprächssituationen mit Anrufern wirklich genießen, so wie diese: "Einen Augenblick bitte", sagte ich und ein paar Sekunden später: "Haben Sie etwas zu schreiben?" Die Frau war offensichtlich verwirrt, ich hörte nur ein "Äh, äh, einen Augenblick bitte", bevor sie mich fragte: "Wie haben Sie die Nummer so schnell herausgefunden?" Ich entschloss mich für die Wahrheit: "Sie sind schon die dritte Leserin, die deswegen angerufen hat, ich wusste also, wo ich suchen musste." Ich hörte einen Seufzer und dann diese Worte: "Und ich dachte schon, ich müsste mich für diese Frage schämen." Manchmal ist ein kleines Stückchen Glück so einfach; das gefällt mir.

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