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Einfach vergessen? Das geht gar nicht

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So kann man sich täuschen: Bis heute war ich der Ansicht, dass die Affäre Wulff kein Thema ist beziehungsweise für die Leser ein Problem darstellt, weswegen sie mich anrufen, um mir ihre Meinung zu sagen. In der ersten Woche des neuen Jahres griffen sie nur vereinzelt zum Telefonhörer, doch dann waren es heute zwischen 10 und 12 Uhr gleich fünf Anrufe hintereinander, bei denen ist um den Bundespräsidenten ging. Der Grund war, wie ich feststellen musste, ein ganz einfacher: Es kommt auf die Perspektive an, aus der man diese Debatte um Person und Amt betrachtet, beziehungsweise den Schwerpunkt, den man bei einer Bewertung legt. Diese fünf Leser bezogen sich nämlich alle auf denselben Artikel: "Wulff setzt auf das Vergessen", heute in der "Freien Presse", Seite 5. "Das geht gar nicht, das mit dem Vergessen kann er getrost vergessen", sagte beispielsweise ein Anrufer und meinte, dass dem ersten Mann im Staate dieser Makel zurecht Zeit seines Leben anhaften würde, weshalb er schon jetzt als Bundespräsident nicht mehr tragbar sei.

Zum Thema aber will ich diese Anrufe hier in meinem Blog aus einem anderen Grund machen: Zwei Leser haben mir mit konkreten und teilweise sehr persönlichen Erfahrungsberichten erzählt, warum das Vergessen auch für Christian Wulff kein Ausweg sein kann und darf, um aus dieser Sache heil und ohne politischen Schaden herauszukommen. Die eine Leserin erzählte mir von einem Mann, der als Jugendlicher eine Straftat begangen hat, dafür bestraft wurde und in den folgenden Jahren beruflich keinen Fuß mehr auf den Boden bekam, weil potenzielle Arbeitgeber davor zurückschreckten, einen offensichtlich Vorbestrafen zu beschäftigen. "Der Mann ist für den Rest seines Lebens gezeichnet, das finde ich ganz schrecklich", sagte die Anruferin und schlug auf diese Weise den Bogen zum Bundespräsidenten: "Die Hoffnung auf das Vergessen dürfte sich für ihn als trügerisch erweisen." Der zweite Leser begannt das Gespräch mit einer Frage: "Warum sollte es einem Bundespräsidenten anders ergehen als mir?", sagte er und erzählte mir ausführlich die Geschichte von einem Unfall mit dem Auto, bei dem er einen Fehler gemacht haben soll, der ihn für den Rest seines Lebens verfolgen wird, weil er selbst schwer verletzt worden war. Zum Schluss sagte er mir: "Ich habe das Vertrauen in die Gerechtigkeit verloren."

Beiden Anrufern habe ich versprochen, dass ich eine Stelle finden werde, an der ich von den Gesprächen mit ihnen erzählen kann, damit auch andere erfahren, was sie bewegt. Ich bin sehr froh darüber, dass ich meinen Blog habe; es muss auch nicht immer nur unterhaltsam sein, was es hier zu lesen gibt. Manchmal darf es auch zum Nachdenken anregen.

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