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Mal ehrlich: Wen interessiert Mielke noch?

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Zu den besonders verlässlichen Regelmäßigkeiten bei meinen Gesprächen mit Lesern zwischen 10 und 12 Uhr gehört diese: Wenn es in einem Artikel in der "Freien Presse" um die DDR beziehungsweise um eine aktuelle Diskussion mit einem Bezug zur Zeit vor der Wende geht, rufen mich Leute an und wollen darüber reden, wie sehr sie der Text bewegt hat und warum sie das jetzt loswerden wollen, was ihnen zu diesem Bericht in den Sinn gekommen ist. Diese Unterhaltungen zeichnen sich außerdem durch die Dauer aus, und das war auch bei den beiden Gesprächen heute zum Artikel "Ein Blick in Mielkes Büro" auf der Seite "Aus aller Welt" so: Der eine Leser sprach 24 Minuten mit mir, der andere sogar eine halbe Stunde. Das ist aber nicht der Grund, warum ich hier jetzt darüber schreibe. Darum geht es mir:

Beide Leser vertraten nämlich die gleiche Ansicht: Man sollte über Stasi-Chef Erich Mielke den Deckel des Vergessens zuklappen und diesem Menschen, der vielen anderen geschadet hat, nach so langer Zeit nicht weiterhin ein Podium bieten beziehungsweise ihn sogar mit solchen Aktionen in eine beschönigendes Licht rücken. "Ich habe von dieser Ostalgie gründlich die Nase voll", brachte einer der beiden Anrufer seinen Unmut über den Artikel auf den Punkt. Mit beiden habe ich über meine Haltung zu diesem Thema gesprochen: Die Erinnerung an schlimme Ereignisse und Personen muss unbedingt wachgehalten und vor allem auch künftigen Generationen vermittelt werden, damit die Vergangenheit die Menschen von heute etwas lehren kann, weil man sich mit der Geschichte auseinandersetzen muss, um sie und die Entwicklungen danach richtig verstehen und entsprechende Konsequenzen für die Gegenwart ziehen zu können. Beide Anrufer haben mir zugestimmt, aber auch teilweise widersprochen, denn einer meinte: "Glauben Sie wirklich, dass irgendjemand, der 30 Jahre oder jünger ist, jemals auf die Idee kommen würde, nach Berlin zu fahren, um das Stasi-Museum zu besuchen und sich die ehemaligen Diensträume von Erich Mielke anzuschauen?"

Damit war der Punkt erreicht, an dem ich nicht mehr diskutieren wollte, obwohl ich das Argument "Besuch von Schulklassen" noch angebracht habe, aber damit nicht wirklich erfolgreich in meiner Argumentation war. Denn beide Leser hatten mit ihrer Kritik einen wunden Punkt getroffen: Ich weiß nämlich wirklich nicht, ob sich Vertreter der Generation, die persönlich mit der DDR gar nichts mehr zu tun hat oder sich nur noch vage an Kindheitsbilder erinnern kann, noch bewegen lassen können, freiwillig und aus reinem Interesse sich das Büro von Erich Mielke anzuschauen. Leider werde ich es wohl auch niemals erfahren, weshalb ich auch künftig kaum etwas entgegenzusetzen habe, wenn Leser mir (so wie heute) sagen: "Das interessiert die jungen Leute doch nicht mehr die Bohne, denen geht es doch nur um Internet und Spaß haben."

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