Blog "Leser-Obmann": Ein bisschen stark, ein bisschen schwach

Eine ganze Reihe an Lesern haben sich in den vergangenen Monaten, wenn es um Kritik an der Zeitung oder um Fehler in Artikeln geht, spezialisiert, und es bereitet ihnen offenbar ein diebisches Vergnügen, mich anzurufen, um mich darauf hinzuweisen. Manche erkenne ich bereits an der Nummer, wenn sie im Display angezeigt wird und wieder mal etwas mit der Wetterkarte nicht so genau gestimmt hat; manche brauchen nur ihren Namen zu nennen, und ich weiß gleich: Aha, eine falsche Namensschreibeweise auf der Seite Kultur; manche stellen sich aber auch jedes Mal erneut vor, wenn sie sagen "ich bin ein aufmerksamer Leser ihre Zeitung" und mich darauf hinweisen, dass beispielsweise eine geografische Angabe nicht ganz exakt war, weil Kontinente miteinander verwechselt worden sind. Heute gab es zwei Anrufe von meinen Spezialisten:

Episode 1 (am anderen Ende der Leitung ist Mr. Grammatik): "Ich sage Ihnen ein Verb, und sie beugen es", sagte der Leser (er würde niemals konjugieren sagen) und fing sogleich an.
"Hinken."
"Hinken, hinkte, gehinkt ..."
"Blinken."
"Blinken, blinkte, geblinkt ..."
"Sinken."
"Sinken, sank, gesunken ..."
"Stinken."
"Stinken, stank, gestunken ..."
Achtung, jetzt kommt die Falle:
"Winken."
"Winken, winkte, gewunken ..."
Mr. Grammatik feixte, ich konnte regelrecht hören, wie er vor Freude sich die Hände rieb, als es mich verbesserte: "Winken, winkte, gewinkt ... Sie haben daraus ein Hybrid-Verb gemacht, sowohl ein bisschen stark, als auch ein bissche schwach."
Was soll ich sagen, der Mann hatte Recht; was mich nur verwundert hat, dass diese Unkorrektheit in der Überschrift der Seite Leserforum in der Redaktion tatsächlich durch Korrekturinstanzen nicht bemerkt worden war. Ach ja, wir Menschen, wir machen alle ...

Episode 2: (am anderen Ende der Leitung ist Mr. News): "Heute geht es mir um zwei Artikel in der aktuellen Ausgabe der "Freien Presse"", sagte der Leser, und ich war schon mal froh, dass es nur zwei waren; es waren in der Vergangenheit auch schon bis zu fünf Berichte, der Mr. News gefunden hatte, weil entdeckt hatte: "Wieder fehlen ganz wichtigen Informationen, die Sie dem Leser vorenthalten haben." Denn das ist seine Passion: Wichtige Fakten fehlen; warum auch immer. Als Quelle seiner Kritik gibt Mr. News stets den Informationskanal eine landesweiten Rundfunksenders (öffentlich-rechtlich) an. Seine Anmerkungen von heute: "Auf der Titelseite oben ganz rechts fehlt in dem Bericht über die Milliardenhilfe für Afghanistan die Angabe, was Deutschland zahl, nämlich 430 Millionen Euro", teilte er mir mit. Ich überprüfe die Angaben eigentlich eher selten, aber ich sage immer: "Vielen Dank für dies Information, ich informiere die Kollegen in der Politik (Anmerkung: wahlweise auch mal Wirtschaft oder Sport) über ihren Hinweis. Seine zwei Kritik zur aktuellen Ausgabe: "In dem Artikel über das neue Meldegesetz auf der Seite Kommentar & Hintergrund fehlt die genaue Zahl der Abgeordneten, die bei der Verabschiedung im Parlament saßen und daran teilgenommen haben, es waren nämlich weniger als 30", sagte der Leser und hörte von mir den gleichen Satz wie zuvor. Dann haben wir uns gegenseitig noch einen schönen Tag gewünscht und uns freundlich verabschiedet; ich mit den Worten "dann bis zum nächsten Mal". Vor Monaten habe ich Mr. News mal gefragt, warum er mich wegen der fehlenden Informationen anruft. Seine Antwort war genauso knapp wie aufschlussreich: "Das ist mir eben wichtig."

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