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Alles wie immer: Geduld ist eine Tugend

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Weil ich mich bereits daran gewöhnt habe, und es mir angesichts der rund 30 Briefe (aus Papier) und der fast doppelt so vielen Mails (aus Bits) arbeiten hilft, möchte ich an meinem ersten Arbeitstag nach dem Kurzurlaub an der Tradition festhalten und nicht lange nach dem besonderen Anruf heute zwischen zehn und zwölf suchen, über den ich hier berichten kann. Ich nehme wieder ganz einfach die ersten drei Gespräche:

Episode 1 (10.07 Uhr): "Ich habe von Ihrer Redaktion den Hinweis bekommen, dass ich den Redakteur, der den Artikel geschrieben hat, auch direkt anrufen kann; ich habe sogar die Durchwahlnummer erhalten", sagte ein Leser und schwieg. "Wie kann ich Ihnen jetzt weiterhelfen?" fragte ich deshalb. "Aber ich erreiche ihn einfach nicht", bekam ich darauf als Antwort. Jetzt blieb ich still; mit Erfolg, denn der Anrufer fügte hinzu: "Er nimmt einfach nicht ab." "Vielleicht sitzt er gerade nicht an seinem Arbeitsplatz", schlug ich als Grund für dieses Problem vor und wollte ganz sicher gehen, dass sich der Mann in der Leitung auch wirklich bemüht hat, den Kollegen zu erreichen (und nicht nur einmal die Nummer gewählt hat und sich die weitere Mühe ersparen will) und hakte nach: "Wann haben Sie denn angerufen?" Stolz verkündet der Leser: "Fünf Mal heute zwischen sieben und neun." Ich habe es unterlassen, den Anrufer zu erklären, dass viele meiner Kollegen in dieser Zeitspanne vielleicht gerade das Frühstück hinter sich haben; wenn sie denn schon aufgestanden sind. Ich schlug einen äußerst versöhnlichen Ton an: "Ich versuche jetzt einfach mal, Sie mit dem Redakteur zu verbinden und bitte Sie deshalb ..." Weiter kam ich nicht, der Mann fiel mir ins Wort: "Aber wenn er doch nicht da ist?" Meinen Satz vollendete ich trotzdem: "... in der Leitung zu bleiben." Also drückte ich die Verbindungstaste, wählte die Nummer und hörte dies: "Tut, tut, tut ... usw." Wie ich das Besetztzeichen dem Leser erklärt habe? Gar nicht, ich habe ihm gesagt: "Ich schicke dem Kollegen eine Mail, dass er sie unbedingt so schnell wie möglich anrufen soll." Der Mann war zufrieden, bedankte sich und legte auf.

Episode 2 (10.18 Uhr): "Sie sind doch der Mann, bei dem ich mich beschweren kann, wenn mir etwas nicht gefällt, was in der Zeitung stimmt", sagte der zweite Anrufer an diesem Tag; ich stimmte zu. "Dann hören Sie jetzt mal gut zu", sagte er, nicht wissend, dass er damit (wie bei der Einleitung "Passen Sie mal auf") auf der Skala meiner Bereitschaft, die Geduld erst so spät wie möglich zu verlieren und genauso höflich wie bestimmt den Anrufer darauf hinzuweisen, dass er meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit genießt, gerade um zwei Prozentpunkt gesunken ist. Der Grund seiner Beschwerde: "In dem Bericht über die Goldmedaille des Deutschland-Achters heißt es immer nur, dass dies der vierte Triumpf bei den olympischen Spielen sei. Die zwei Siege des DDR-Achters 1976 in Montreal und 1980 in Moskau lassen sie einfach unter den Tisch fallen. Und das finde ich ganz erbärmlich." Von der Goldmedaille der Ruderer wusste ich natürlich, den Artikel dazu hatte ich aber nicht gelesen, weshalb ich erwiderte: "Ich kläre die Sache und rufe Sie umgehend zurück." Gesagt, getan, wenige Minuten später hatte ich den Mann wieder in der Leitung, und ich sagte: "Sie hätten den Artikel bis zu Ende lesen sollen."

Episode 3 (10.31 Uhr): "Das bringt mich immer wieder auf den Baum", sagte der nächste Leser in der Leitung als Einleitung seines Anliegens. Es ging um ein innenpolitisches Thema, aber das spielt jetzt keine Rolle, denn ich war in diesem einen Augenblick von allen guten Geistern verlassen und verstieß gegen eines meiner zwölf Gebote (die Zahl es gewachsen, ich bin flexibel) beim Umgang mit Lesern (Das achte: Verbessere niemals einen Anrufer, wenn er eine Redewendung verdreht oder falsch anwendet.), als ich erwiderte: "Auf die Palme." Einer weiteren Schilderung des Gesprächs bedarf es nicht, denn es hat zunächst weiter zwei Minuten gedauert, bis ich dem Leser glaubhaft versichern konnte, ihn durchaus ernst zu nehmen. Anderthalb Stunden später befiel mich ein komisches Gefühl, es fühlte sich an wie ... Fünf Minuten später stellte ich mich in der Schlange vor dem Eis-Café an.

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