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Stille, das ist verdächtig: Sind Sie noch da?

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Jeder Leser hat das Recht, mir zu einem Thema, über das "Freie Presse" berichtet hat, seine Meinung zu sagen; in aller Ausführlichkeit, ich unterbreche so gut wie niemals. Nur manchmal frage ich die Anrufer, so ungefähr nach 30 Minuten, ob wir nicht auch anderen Lesern die Chance geben wollen, sich mit mir zu unterhalten. Meistens fällt dieser Vorschlag auf fruchtbaren Boden, manchmal aber auch nicht. Und dann habe ich von Zeit zu Zeit ein Problem: "Es tut mir wirklich leid, aber in zwei Minuten muss ich in die Redaktionskonferenz", sage ich beispielsweise (und fast immer ist das auch die Wahrheit) und hoffe dann, dass der Anrufer mich entlässt und auflegt. "Das ist mir egal, jetzt hören Sie mir weiter zu", habe ich aber auch als Reaktion darauf gehört.

Und dann gibt es Leser, die mich mehr oder weniger regelmäßig anrufen, um mit mir in einem überaus freundlichen Ton über die politische Weltlage oder das Lösen globaler Probleme zu sprechen. Das sind dann doch eher Monologe, aber das ist nicht weiter schlimm, denn wenn ich das Mikrophon des Headsets hochklappe, hört man das Klappern der Tastatur nicht, und ich kann die eine oder andere Mail beantworten. Ich weiß: Das ist nicht die feine Art, aber es hilft arbeiten. Mit dem einen oder anderen Anrufer dieser Kategorie habe ich auch viel Spaß, weil wir im Laufe der Monate es gelernt haben, uns gegenseitig etwas auf die Schippe zu nehmen, wenn die Vorschläge so absurd sind, dass man nur noch darüber lachen kann. (Ich möchte an dieser Stelle an den Leser erinnern, der gemeint hat, wenn man an die Fitnessgeräte in den Studios einen Dynamo anschließen würde, könnte man einen großen Beitrag zur Beseitigung der Energiekrise leisten.)

Allerdings nur bei einer Leserin habe ich es bislang gewagt, sie danach zu fragen, wie ich ihr bitte signalisieren soll, wenn ich während des Gesprächs mal ganz dringend aufs Klo muss. Als Antwort habe ich nur den Hinweis erhalten, dass Männer da doch ganz andere Möglichkeiten haben, das Geschäft zurückzuhalten beziehungsweise aufzuschieben (die Frau fand das auch noch lustig, ich möchte trotzdem nicht ins Details gehen). Das ist jetzt ungefähr ein Jahr her, dass ich dieser Leserin gesagt habe, dass ich es irgendwann schaffen werde, während ihres Statements die Toilette aufzusuchen, dort alles so zu verrichten wie immer (also keine Abkürzungen), und sie bekommt es gar nicht mit, weil sie mich während ihres Redens gar nicht vermisst hat; auf "so so" oder "aha" oder "wirklich?" legt diese Leserin nämlich keinen Wert. "Wetten nicht?" lautete damals ihr Kommentar. Heute hat diese Frau mich wieder angerufen, weil sie den Bericht über die Landung der Nasa-Sonde auf dem Mars gelesen hatte, um mir ausführlich zu erklären, wie unnötig solche Unternehmungen sind und wie einfach man den Hunger in der Welt bekämpfen könnte, wenn man das gesamte Geld, das für die Weltraumforschung ausgeben würde, für Hilfsprojekte ausgeben würde.

Was soll ich sagen: So zirka drei Minuten lang habe ich mich absolut still verhalten und weder das Mikrophon bewegt, noch mit den Händen ein anderes Geräusch erzeugt und sogar betont flach geatmet. Ich wollte es drauf ankommen lassen. Tatsächlich unterbrach die Frau ihren Redefluss und fragte: "Sind Sie noch da?" "Selbstverständlich, ich bin ganz Ohr, reden sie nur weiter", habe ich geantwortet. Die Leserin schwieg, das war sehr verdächtig, ich vermutete Schlimmes, aber es war nur eine weitere Frage: "Waren Sie gerade auf dem Klo?"

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