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... und es war mitten in der Nacht
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Gleich drei Mal ist in jüngster Zeit etwas passiert, das mich dazu gebracht hat, erneut über die Außenwirkung meiner Position als Leserobmann nachzudenken; ausschließlich im positiven Sinne, möchte ich an dieser Stelle gleich hinzufügen. Nicht dass ich das nicht ohnehin von Zeit zu Zeit machen würde (ich mag solche doppelten Negationen), weil Selbstkritik schließlich immer etwas Gutes sein sollte, aber in solch gedrängte Form passiert es eher selten. Das ist geschehen:
Episode 1: Wenn ich morgens mein Büro betrete und den Computer starte, drücke ich auch immer die Taste des Telefons, die mich zu der Liste der verpassten Anrufe führt. Ich könnte sie auch immer komplett löschen, aber dafür ist meine Neugierde einfach zu groß. Für gewöhnlich gibt es immer eine Reihe von Anrufen zwischen 7 und 10 Uhr, weil die Leser denken, dass ich natürlich auch außerhalb meiner offiziellen Sprechzeit arbeite und ruhig ans Telefon gehen könnte (meistens haben sie damit auch Recht und ich nehme selbstverständlich ab). Heute zeigte mir die Liste aber drei besondere Anrufe, es war immer dieselbe Handynummer: Das erste Mal hatte mich diese Person um 2.46 Uhr versucht zu erreichen, das zweite Mal um 3.37 Uhr und das dritte Mal 5.11 Uhr. Später am Vormittag wartete ich dann vergebens darauf, dass diese Nummer nochmals auf dem Display erschien. Womit ich zu einer Gewissensfrage gelangte: Rufe ich die Nummer an, weil meine Neugier mich sonst nicht zur Ruhe kommen lässt, oder lege ich diesen Vorgang einfach zu den (fiktiven) Akten? Denn schließlich ist das doch etwas unheimlich, wenn ich mir vorstelle, was einen Menschen mitten in der Nacht dazu bewegen könnte, den Leserobmann der Zeitung anzurufen, und wer weiß, auf welche Weise ich ihn dazu ermutigt habe. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe nicht angerufen, ich werde es auch nicht tun.
Episode 2: "Ich dachte schon, Sie würden mich das nie fragen", sagte eine Leserin, nachdem ich aus meinem Herzen keine Mördergrube gemacht und sie gefragt hatte, wie sie denn aussieht, weil es von mir schließlich Fotos im Netz gibt, ich aber nie sehen kann und höchstens ahnen kann, wie die Personen am anderen Ende der Leitung denn aussehen. Diese Anruferin hatte ich schon häufiger bei mir gemeldet, und wir waren fast jedes Mal ins weltanschauliche Plaudern geraten. Deswegen hatte ich auch Mut gefasst und die Frage gestellt, doch auch diesmal ließ ich mich nicht auf eine Antwort ein, nachdem sie fragte: "Was denken Sie denn, wie ich aussehe?" Da ist mir die Gefahr dann doch zu groß, mich aufs Glatteis zu begeben. Aber ich bekam dann doch eine Antwort: "Ich sehe aus wie Papagena", sagte die Leserin, mehr nicht, sie wollte weitere Zusatzfragen nicht mehr beantworten. Also stand ich vor diesem Problem: Papagena ist eine Figur aus der Oper "Die Zauberflöte" von Mozart; und sie ist zuerst eher unansehnlich und wenig weiblich, aber nachdem Papageno (der Vogelfänger mit der Neigung zum einfachen Genießen) sich doch als ein tugendhafter Mensch mit edlem Charakter erwiesen hat, verwandelt sich Papagena in ein bezaubernd schönes Geschöpf. Und nun frage ich mich: Will die Anruferin mir damit sagen, dass es von mir und meinem Wesen abhängt, wie sie aussieht? Oder hat sie sich doch nur einen Scherz mit mir erlaubt? Ich werde darüber lange nachdenken und mir die Reaktion genau überlegen müssen, wenn sie das nächste Mal anruft. Das Leben ist ein Abenteuer.
Episode 3: "Ich bin für die Wiedereinführung der Monarchie in Deutschland", sagte mir ein Leser. Warum er mich deswegen angerufen hatte, wollte mir zuerst vor Schreck nicht gleich einfallen, aber sein nächster Hinweis brachte Klarheit: "Und deshalb möchte ich, dass sie meine Meinung dazu veröffentlichen, weil es nicht sein kann, dass sie nur Leserbriefe abdrucken, in denen über Alexander Prinz von Sachsen hergezogen wird, weil er es gewagt hat, den Sachsen eine ruppige und unfreundliche Umgangsart zu bescheinigen." Ich kürze mal ab und fasse den größten Teil des Gesprächs mit dem Ergebnis zusammen: Ich veröffentliche auf der Seite Leserforum keine Meinungen, die mir nur mündlich mitgeteilt werden, wobei der Anrufer von mir erwartet, dass ich seine Stellungnahme in leicht verständlichen Worten und Sätzen wiedergebe und mit seinem Namen versehe. Letztendlich hat der Leser das dann auch eingesehen, mir dann aber noch gesagt: "Ich dachte nur, weil Sie doch vermutlich meiner Ansicht sind, könnten Sie mir diesen Gefallen tun." Ich war verdutzt, nahe zu platt, ich ein Anhänger der Monarchie? Also hakte ich nach, ganz vorsichtig, nur um den Mann nicht vor den Kopf zu stoßen, und ich bekam als Erklärung: "Ich lese doch immer Ihre Kolumnen." Was der Mann meinte und was er mir noch zu verstehen gab: Weil ich diesem Staat und seiner von politischen Parteien getragenen Demokratie manchmal kritisch, wenn nicht sogar skeptisch gegenüber stehe, kann ich als Alternative dazu nur für die Monarchie sein.
Ich glaube, ich muss an meiner Außenwirkung arbeiten.
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