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Und die Fahne bewegt sich doch
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Der Tod von Neil Armstrong hat mich tief berührt. Der Astronaut war der Held schlechthin in meiner Kindheit, und irgendwann in meinem Leben wollte ich einen vergleichbaren Satz von solch weltumspannender Bedeutung sagen, wie dieser Mann, als er den Mond betrat und damit zu einem der größten Pioniere in der Geschichte der Menschheit wurde. Mein Element war schon immer das Wasser, weshalb ich nicht vom Weltall träumte, sondern von Fahrten mit einem U-Boot in Meerestiefen (so ab 10.000 Metern), in die sich noch niemand getraut hatte, geschweige denn, dass dort jemals ein Licht geleuchtet hatte; mein Berufswunsch war der Experte für Bathymetrie. Und heute Morgen, während ich zum Malzkaffee die Zeitung las, schwor ich mir dies: Und wenn nur ein einziger dieser Verschwörungstheoretiker bei mir anruft und mir erzählen will, wie das alles damals wirklich gewesen ist, dann bekommt er die geballte Kraft meiner Überzeugung zu spüren. Was soll ich sagen, es gab einen solchen Anruf, aber es kam anders, als ich dachte, hier das Gespräch:
"Passe ma auf, es geht mir da mal um die Fahne", sagte der Mann, nachdem ich mich vorgestellt und ihn gebeten hatte, mir sein Anliegen vorzutragen; ich möchte betonen: Nur Betrunkene und Kollegen dürfen mich duzen, ohne mich um Erlaubnis gefragt zu haben; also habe ich den Anrufer zunächst mal nicht zurecht gewiesen. Gefragt habe ich ihn dies: "Können Sie mir sagen, um welchen Artikel es sich handelt, weswegen Sie mich sprechen wollen, beziehungsweise um welches Thema es ihnen geht, das Sie bewogen hat, mich anzurufen?" Dieser Satz war offensichtlich zu viel für den Mann, denn ich hörte dies: "Wie meinen?" Nun hätte ich den Satz wiederholen können, doch war ich mir sicher, dass ich auch beim zweiten Mal damit keinen Erfolg haben würde. Also passte ich mich an: "Was gibt's?" Das verstand der Anrufer, denn er sagte: "Die Fahne da, die weht, aber da gibt es überhaupt keinen Wind, da auf dem Mond. Verstehste, was ich meine?"
In diesem Moment wurde mir klar, wen ich da am Apparat hatte, (nicht persönlich, sondern welcher Gruppe von Menschen er angehört): Ein Anhänger der Verschwörungstheorie, dass die USA die Landung auf dem Mond nur inszeniert und die Bilder in einem Fernsehstudio gedreht haben. Ich mag diese Leute nicht, ich nehme das fast persönlich, während die Geschichten um die Ermordung von John F. Kennedy für mich eher einen Unterhaltungswert haben; von der Gefährlichkeit der Chemtrails ganz zu schweigen. Aber auf Neil Armstrong lasse ich nichts kommen, also bereitete ich mich innerlich auf den Schlagabtausch vor; völlig unnötig, wie sich herausstellte, denn das Gespräch nahm einen unerwarteten Lauf.
"Das war doch nur Hollywood, und der Mann, der da aus der Kapsel gehopst ist und was von Schritten erzählt hat, nur ein Schauspieler", meinte der Anrufer und legte damit seinen Finger ganz tief in meine Wunde, ich holte zum Gegenschlag aus, begann diesen aber, weil ich immer freundlich sein will, mit einer nüchternen Erklärung, wie ich den Sachverhalt in Erinnerung hatte: "Zunächst einmal ist auch in einem Vakuum eine Bewegung möglich, weshalb die Fahne, einmal durch das Festecken in Bewegung gesetzt, nicht aufhört sich zu bewegen, zumal es auf dem Mond keinen Luftwiderstand ..." Weiter kam ich nicht, weil ich in meinem Kopfhörer ein dumpfes Geräusch hörte; so als würde jemand vom Stuhl fallen. Ich fragte nach: "Hallo, sind Sie noch da?" Nichts, keine Reaktion. Ich schaute automatisch auf das Display meines Telefons, weil ich mich vergewissern wollte, dass ich den Notruf wählen könnte, falls dem Mann etwas passiert ist; da stand aber nur "Anrufer". Ich wiederholte meine Frage: "Hallo, sind Sie noch da? Können wir weiter über die Fahne auf dem Mond reden?" Wieder nichts, null Reaktion von dem Mann in der Leitung. Um Himmelswillen, dachte ich, wenn dem Anrufer jetzt etwas passiert ist? Was kann ich tun? Ich legte nicht auf und lauschte, und lauschte, und lauschte, und lauschte ... (ich konnte dabei Mails beantworten), und lauschte, und lauschte ... Nach gefühlten fünf Minuten hörte ich zuerst ein schlurfendes Geräusch, dann ein zischendes. Da habe ich aufgelegt, ich war beruhigt.
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