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Witz komm raus, du warst schon mal da

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Weil der Humor in meinem Leben eine zentrale Rolle spielt, möchte ich das heutige Thema mit einer Definition einleiten, die meine eigene ist und keinem Lexikon entnommen wurde. Es geht um den Running Gag: Innerhalb eines sich immer wiederholenden Ereignisses taucht mehr oder weniger regelmäßig der gleiche Witz auf, variiert dabei meistens nur in Nuancen und weckt gerade wegen dieser Beständigkeit bei dem, der dem Geschehen beiwohnt, eine Vorfreude, weil er sich sicher sein kann, dass diese komische Komponente wieder auftaucht und ihn zum Lachen bringt. Diese Erklärung ist mir wichtig, denn bei meinen Gesprächen mit Lesern zwischen zehn und elf gibt es viele Running Gags. Bevor hier ein Missverständnis entsteht: Ich bin der, der lacht, nicht die Anrufer, weil sie gar nicht wissen können, warum ich das witzig finde, und vermutlich bin ich ohnehin der einzige, der hier ein komisches Element entdeckt; sei's drum. Gestern und heute ist es drei Mal passiert:

Episode 1: Bei der Lektüre der Zeitung heute am frühen Morgen (kurz nach sechs) las ich auch den Artikel "Energie-Gesetz wird überarbeitet" auf der Seite Wirtschaft. Und es machte sich Vorfreude in mir breit: Ich war mir ganz sicher, dass mindestens ein Leser deswegen bei mir anruft und mich belehren will, weil in dem Text etwas falsch ist; und zwar fundamental nicht richtig ist. Was soll ich sagen: Es gab diesen Anruf um kurz vor elf: "Dass die Regierung uns normaler Bürger ver... will, weiß vermutlich mittlerweile jeder, aber dass Ihre Zeitung diesen Unsinn auch noch kommentarlos übernimmt, ist doch schon ein starkes Stück", sagte der Leser. Ich wusste sofort, um was es ihm ging: Im Bericht von "erneuerbaren Energien" die Rede, und das ist nun mal physikalisch gesehen völliger (ich finde dieses Wort klasse, darf ich es mal benutzen?) Mumpitz. Energie kann man erzeugen, aber niemals erneuern, geschweige denn sie nachwachsen lassen; das gilt nämlich nur für die Energieträger, die scheinbar unerschöpflich sind wie Sonne, Wind und Wasserkraft. Ich habe den Einleitungssatz des Anrufers gehört und tatsächlich gegrinst (völlig geräuschlos, versteht sich), weil ich wusste, dass ich ihm jetzt einen ungefähr zweiminütigen (einstudierten) Vortrag halten werde, und weil ich gespannt war, wie er darauf reagieren würde. Mein Reden begann so: "Gehen wir vom Energieerhaltungssatz sowie vom ersten Hauptsatz der Thermodynamik aus, haben sie natürlich vollkommen recht ...", sprach ich und endete viele Sätze später damit: "... aber weil sich diese Bezeichnung im allgemeinen Sprachgebrauch eingebürgert hat und die Menschen genau verstehen, was damit gemeint ist, verwenden die Kollegen in der Redaktion sie ebenso wie die Bundesregierung. Die Reaktion des Lesers: "Ich bin platt."

Episode 2: Eigentlich sollte es in Deutschland die Majestätsbeleidigung nicht mehr geben, weil unser Land schon lange keine Monarchie mehr ist, der Kaiser höchstens noch ein in die grauen Jahre gekommener Fußballer sein darf, und vom König nur noch die Rede ist, wenn es um einen vor 16 Jahren viel zu früh verstorbenen Sänger, Musiker und Schauspieler geht. Und doch begeht die Zeitung diesen Frevel sehr häufig, fast wöchentlich möchte ich einschätzen, weil die Leser mich durchschnittlich ungefähr so oft anrufen, um sich bei mir zu beschweren: "Das hat die Frau nicht verdient", sagen die einen; "so kann man mit der Kanzlerin nicht umgehen", die anderen. Manche Leser meinen, es mangele der Redaktion an Respekt vor dem Amt, manchen attestieren uns Gefühle des Neids wegen der großen tatsächlichen Macht der Frau und der kleinen nur vermeintlichen Macht der Zeitung. Kaum eine Karikatur von Tomicek, in der Angela Merkel aufs die Schippe genommen wird, ohne das sich Anrufer wegen der Verunglimpfung der Regierungschefin bei mir beschweren. Gestern beispielsweise erreicht mich noch am selben Tag sieben Leserbriefe, in den es um die Reportage "Die Abkanzlerin" ging; vier Anrufer wollten mir mit über den Text auf der Seite Zeitgeschehen beziehungsweise über das Buch "Die Patin" von Gertrud Höhler zu sprechen. Nun zum Running Gag, den ich mir erlaube, weil es mir eine fast diebische Freude bereitet, die Leser am Telefon zu fragen: "Wie finden Sie eigentlich das Äußere der Frau Merkel? Immer Hose, immer Blazer, immer Fönfrisur?" Die drei Antworten von gestern: "Was hat das damit zu tun, lenken Sie bloß nicht ab, das ist ja wohl unerhört", sagte ein Leser im Rentenalter. "Da gebe ich Ihnen recht, sie könnte sich mal ein Beispiel an Ursula von der  Leyen nehmen", sagte eine Leserin im Rentenalter. "Ganz schrecklich, ganz schrecklich, aber Kleider stehen ihr nun mal auch nicht, denken Sie nur an Bayreuth", meinte eine Anruferin (ohne Altersangabe). Nur ein einziges Mal habe ich mich getraut, diese Frage zu stellen. "Sie war auch schon mal schlanker, finden Sie nicht auch?" Die Leserin und ich hatten noch viel Spaß bei dem Thema, welche Diät Angela Merkel wohl am besten wählen sollte, und wir kamen zu dem Ergebnis: Weight Watchers, weil sie als Physikerin mit dem Zählen von Punkten am wenigsten Probleme haben dürfte.

Episode 3: Mein liebster Running Gag ist dieser: Heute klebte wieder mal eine Werbepostkarte auf der Titelseite der "Freien Presse". Schon als ich die Zeitung aus dem Briefkasten zog und die Karte ganz vorsichtig vom Papier abzog, so dass kein einziger Buchstabe daran hängen blieb, war ich mir sicher: Das gibt Anrufe. Und so war es auch, und bei allen Gesprächen habe ich es gewagt, diese Frage zu stellen: "Haben Sie es schon mal mit ganz viel Gefühl versucht?" Die Reaktionen darauf möchte ich lieber verschweigen, weil die Leser wenig Verständnis für diese Art von Humor hatten, nur ein Anrufer forderte mich heraus: "Bei der nächsten Klebekarte stehe noch am selben Tag bei Ihnen am Schreibtisch, und dann machen Sie mir vor, was es heißt: Bitte mit viel Gefühl." Kein Problem, habe ich geantwortet, da kenn ich mich aus, da bin ich Experte.

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