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Keine Kunst und mieses Essen

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Gestern hat mich eine Kollegin gefragt, nachdem sie meinen Blogeintrag mit der Beschreibung einer Grundsatzdiskussion über den Bierpreis bei Volksfesten gelesen hatte, warum ich nicht immer mit den Anrufern diskutiere, wenn sie mir schon mit ihren Anliegen solche Steilvorlagen für unterhaltsame Gespräche liefern. Meine Antwort war genauso knapp wie unmissverständlich: "Keine Lust", sagte ich und fügte hinzu: "Extrem anstrengend." Wie ich das gemeint habe, wird am wohl am besten deutlich, wenn ich einmal aufliste, bei welchen Unterhaltungen ich heute auf eine solche Grundsatzdiskussion verzichtet habe:

Episode 1: "Das ist noch Pillepalle, das hat doch so viel mit Kunst zu tun wie die Zeichnungen meiner dreijährigen Enkelin", sagte eine Leserin und meinte noch: "Die sollten mal lieber die Strompreise senken, als das Geld für solchen (...) zum Fenster rauszuschmeißen." Ich hätte mit dieser Frau, nachdem sie einen Bericht über die farbige Gestaltung des mehr als 300 Meter hohen Schornsteins des Heizkraftwerks in Chemnitz gelesen hatte und mit dieser Aktion des Konzeptkünstlers Daniel Buren überhaupt nicht einverstanden war, über Kreativität sprechen können; aber ich wollte das nicht. Die Frau war auch so zufrieden, allein weil ihr jemand zugehört hatte.

Episode 2: "Ich habe gerade auf der Kulturseite in dem Bericht über Uwe Steimle gelesen, dass er oft von Erich Honecker imitiert worden sei. Aber das war doch genau umgekehrt, das ist doch falsch, das müssen Sie morgen unbedingt richtigstellen", erklärte mir eine Anruferin und war damit bereits am Ende angelangte und verabschiedete sich von mir. Nun hätte ich mit dieser Frau über Ironie und Satire plaudern können, weil die Kollegin in dem Artikel auf dieses Stilmittel zurückgegriffen hat; aber ich wollte das nicht. Die Leserin fühlte sich verstanden, weil nur sie gesprochen hat; und das war gut so.

Episode 3: ""Das Essen war unter aller (...), und die Bedienung war so unfreundlich, dass wir froh sein konnten, überhaupt etwas bestellen zu dürfen", sagte mir ein Anrufer und formulierte seine Forderung: "Darüber müssen sie einen Artikel schreiben, damit alle gewarnt werden, in diese Gaststätte zu gehen." Fast hätte ich der Versuchung nicht widerstehen können, mit dem Mann in der Leitung über die Grundsätze eines seriösen Journalismus zu sprechen und ihm zu erklären, dass immer beide Seiten dazu gehört werden müssen und das Recht haben, mit ihrem Standpunkt in einem Artikel erwähnt zu werden, doch ich habe darauf verzichtet und dem Leser gesagt: "Ich habe es mir notiert und werde diese Information an die zuständige Lokalredaktion weitergeben." Außerdem bin ich davon überzeugt, dass der Markt sich selbst reguliert und ein Restaurant, in dem mieses Essen serviert wird, nicht lange existieren wird. Aber ob der Anrufer das hätte hören wollen?

Episode 4: "Das Foto ist unscharf und nicht richtig belichtet", erklärte mir ein Leser und meinte, dass man von den Fotografen einer Zeitung doch wohl professionellere Arbeit verlangen könnte. Es hat eine Weile gedauert, bis ich das Bild in einer Lokalausgabe gefunden hatte, doch dann war es auf meinem Bildschirm und ich sagte im Stillen zu mir selbst: Zwei Fußballspieler in einem Zweikampf, der Fotograf stand vermutlich ziemlich weit weg am Spielfeldrand, es war eine temporeiche Aktion, die Sonne schien besonders tief zu stehen, also unter diesen Bedingungen war ich mir sicher: "So schlecht finde ich es gar nicht", sagte ich und durfte mir als Reaktion darauf eine Erläuterung über Blende, Belichtungszeit und Schärfentiefe anhören. Ich habe darauf verzichtet, mit dem Mann über die Arbeitsbedingungen von den Fotografen zu sprechen und um Verständnis zu bitten, dass nicht jedes Bild eine Meisterleistung sein kann, denn ich war mir sicher, dass eine solche Grundsatzdiskussion bei diesem Anrufer vergebliche Mühe gewesen wäre. Sonst scheue ich solche Auseinandersetzungen nicht, aber dieser Anrufer duldete keinen Widerspruch; da war ich mir ganz sicher.

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