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Ein Markttag in einer Stadt in Sachsen. Auf einem kopfsteingepflasterten Platz stehen Obst- und Gemüsestände und kleine Imbissbüdchen. Wir zoomen näher ran und nehmen zwei dieser hölzernen Vegetarier-Albträume in den Fokus: Am linken Grill gibt es Roster, Beefsteak, Steak und dazu Brötchen. Zehn ältere Männer, die ihre Gattinnen die subtilen Freuden merkantilen Treibens allein vollziehen lassen, stehen an diesem Imbiss an. An der Bude rechts daneben liegen auf dem Grill: Roster, Beefsteak, Steak. Dazu gibt es Brötchen. Dort steht niemand an. Ein weiterer hungriger Mann im beigen Blazer taucht im Sucher auf. Er schaut sich die Schlange am linken Grill an und kratzt sich an der Stirn. Er schaut sich die Verkäuferin am rechten Grill an, die den Rücken durchdrückt und mit merkelschen Mundwinkeln auf ihre Würste schaut. Der Mann im beigen Blazer stellt sich am linken Grill an. Als Elfter in der Reihe. Warum? Schließlich spricht die kürzere Wartezeit doch für den anderen Stand, der die gleiche Ware anbietet.

Es ist das gleiche Prinzip, nachdem auch Facebook funktioniert: Zehn "Likes" für den linken Grill, null "Likes" für den rechten Grill - damit treffen die Mitglieder des sozialen Netzwerks eine Vorentscheidung, der man folgt, ohne nach Logik zu fragen. Es sind ja schließlich Empfehlungen von Freunden oder zumindest von Freunden von Freunden. Aus diesem Grund kann man sich inzwischen auch Facebook-Freunde mieten oder kaufen, beispielsweise bei Ebay. 1000 Likes für die Fanpage sind dort ab 45 Euro im Angebot, und vergangenen Sonntag hat eine hübsche blonde Nutzerin (oder ein hässlicher brünetter Nutzer mit dem Profilbild einer hübschen blonden Frau) ihre Dienste als Facebook-Freundin für mehr als 8000 Euro versteigert - für zwei Monate inklusive Kommentaren, Likes und Posts auf der Pinnwand. Ein virtueller Eskort-Service sozusagen, was natürlich (unter anderem) die Perversion des Empfehlen-Prinzips darstellt, aber auch ihren Umkehrschluss herausarbeitet: Es reicht nicht, sich selbst zu loben. Man braucht andere, die das für einen erledigen. Früher nannte man solche Hilfsarbeiter Claqueure.

Dem Bratwurststand 2.0 sei daher als Betriebsempfehlung mitgegeben, immer ein paar kauende Likes am Grill stehen zu haben.

Von Christian Gesellmann

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