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Viel zeigen, aber das Wesentliche verhüllen
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Eine einseitige Berichterstattung zu einem zeitlosen aber auch gerade aktuellen Thema ist der Vorwurf, mit dem mich Leser am häufigsten konfrontieren, wenn es um redaktionelle Inhalte geht. Manchmal diskutiere ich mit den Anrufern, manchmal weiß ich sofort, dass das wenig Sinn hat, weil ich sicher bin, dass diese Leser mich nur anrufen, gerade weil sie anderer Meinung sind. Dies sind einige Beispiele aus den vergangenen Tagen:
Episode 1: "Ich will endlich mal in der Zeitung lesen, was in Syrien gerade wirklich passiert, und nicht immer nur das, was die von den USA und Israel gelenkten Nachrichtenagenturen Ihnen liefern und was von der Wahrheit meilenweit entfernt ist", beschwerte sich ein Leser und wollte darüber mit mir gar nicht sprechen und diese Forderung einfach nur loswerden. Es war ein kurzes Gespräch, nicht einmal eine Minute hat es gedauert.
Episode 2: "In der Vergangenheit ist bei Ihnen nur die Problematik der gentechnisch veränderten Lebensmittel zum Thema von Artikeln geworden, aber das ist nur die eine Seite, die andere sollten Sie unbedingt auch in die Zeitung bringen: Nämlich die Tatsache, dass für gentechnisch veränderte Futtermittel ganz andere Vorschriften gelten und dass die Verbraucher häufig gar nicht ahnen, was sie über das Essen von Fleisch da alles zu sich nehmen", sagte ein Anrufer, wollte aber meinen Einwand "dann am besten kein Fleisch mehr essen" nicht als relevanten Beitrag zur Sache gelten lassen.
Episode 3: "Ständig lese ich in der Zeitung etwas über das Problem, dass in Deutschland immer noch nach einem Endlager für den strahlenden Atommüll gesucht wird", sagte ein Anrufer und fragte mich: "Finden Sie es nicht auch bedenklich, dass sich offensichtlich bei und niemand darum kümmert beziehungsweise dafür interessiert, wie unsere Nachbarn wie beispielsweise die Franzosen diese Frage für sich beantworten, wobei doch jeder weiß, dass eine nukleare Katastrophe sich nicht an Landesgrenzen hält und wir also genauso gefährdet wären, wenn in Frankreich etwas passiert?" Der Leser war beruhigt und auch sicher, dass ich sein Anliegen nicht nur verstanden hatte, sondern auch an die Redaktion weiterleiten werde, nachdem ich ihm beschrieben habe, welche Gefühle mich beschleichen, wenn ich an die tschechischen Atomkraftwerke in Dukovany und Temelin denke.
Episode 4: "Ich stelle Ihnen mal eine Frage, bewusst etwas provozierend, sind Sie einverstanden?" hörte ich einen Leser sagen, bevor er mit meinem Einverständnis hinzufügte: "Die Menschen beuten die Erde seit Jahrzehnten aus und wissen ganz genau: Irgendwann ist Schluss, dann ist nichts mehr da, alles weg, das ist ein Naturgesetz, dagegen kann man nichts machen. Aber was passiert dann?" Ich schwieg, merkte also nicht, dass genau das die Frage war, die er mir stellen wollte, nachdem er mich um Erlaubnis gebeten hatte. Deshalb sprach der Leser weiter und fühlte sich rundum bestätigt: "Sehen Sie, Sie haben auch nicht mal die Spur einer Ahnung, was darauf die Antwort sein könnte. Deshalb meine Bitte: Schreiben Sie ihn Ihrer Zeitung darüber, am besten über eine ganze Seite verteilt." Dass dieses Thema vermutlich Stoff für ein Buch liefern könnte, wollte der Anrufer als Argument gegen eine schnell recherchierte Berichterstattung nicht gelten lassen: "Sie haben gute Reporter, die Kurzfassung reicht mir."
Episode 5: "Weil Sie ein Freund von geflügelten Wortspielen sind und ich außerdem weiß, dass Sie sich als Hüter des richtigen Gebrauchs von Redensarten verstehen, habe ich mir überlegt, dass ich Ihnen einfach einige sagen werde, um zum Ausdruck zu bringen, was ich von dem Inhalte Ihrer Kolumne halte", sagte ein Leser (vielleicht nicht wörtlich, weil so schnell kann ich dann doch nicht mitschreiben, aber ich gebe mir immer Mühe, den Sinn vollständig zu erfassen und in schöne Sätze fließen zu lassen) und bezog sich damit auf meinen Beitrag "Bier, Geld und Sex" auf der jüngste Seite Leserforum. Und er legte los: "Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast", lautete die erste Redensart, während ich auch nach der zweiten noch nicht ahnte, worauf der Anrufer hinaus wollte: "Die Statistik ist eine Hure; sie lässt sich alles gefallen, man kann alles mit ihr machen." Der Anrufer machte eine Pause, ich schwieg auch, dann fragte er: "Noch eine? Wie wäre es mit dieser: Statistiken sind wie Miniröcke. Sie zeigen viel, verhüllen aber das Wesentliche." Nun war ich an der Reihe: "Es reicht", sagte ich, worauf ich diesen Kommentar hörte: "Das stimmt, verschonen Sie uns also künftig mit solchen blödsinnigen Vergleichen von statistischen Durchschnittswerten."
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