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Tut mir leid, geht nicht, ich bin befangen
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Extrem selten kommt es vor, dass ich bei einem Gespräch mit einem Leser mich auf die Rolle des Zuhörers oder eines Vermittlers beschränke, weil ich die Unterhaltung, nachdem der Anrufer mir sein Anliegen vorgetragen hat, mit diesem Satz begonnen habe: "Tut mir wirklich ausgesprochen leid, aber darüber kann ich mit ihnen nicht diskutieren, ich bin befangen."
Diese Einschränkung will ich kurz erklären, bevor ich von dem Gespräch berichte, bei dem ich mich heute wieder einmal dazu bekennen musste. Dienen soll mir die Erklärung, die Wikipedia dazu liefert: "Mit Befangenheit wird der Zustand eingeschränkten (das heißt nicht unabhängigen) Urteilsvermögens einer Person aufgrund einer im Speziellen vorliegenden persönlichen Motiv- oder Sachlage oder eingeschränkten Urteilsvermögens auf Grund von einseitig bewerteter, das heißt nicht in ausgewogenem Verhältnis vorliegenden Informationen bezeichnet. Eine befangene Person entscheidet damit auf der Grundlage eines Vorurteils."
Schon heftig, diese kompromisslose Direktheit, nicht wahr? Denn das bedeutet, wenn ich das auf mich beziehe, dass ich entweder ein persönliches Motiv nicht verdrängen kann, was nicht gerade von einem großen Maß an Professionalität zeugen würde; oder dass ich ein eingeschränktes Urteilsvermögen an den Tag lege, nur weil die mir zur Verfügung stehenden Informationen nicht ausgewogen sind, was mir zu denken geben sollte, damit ich mich darum bemühen kann, diesen Missstand zu beseitigen; oder dass ich sogar ein Vorurteil habe, was ich persönlich ganz besonders schlimm finden würde, weil ich Leute mit Vorurteilen eigentlich nicht mag. Trotzdem war es heute wieder mal soweit:
"Ich bitte um Nachsicht, und es tut mir auch wirklich besonders leid, aber ich kann darüber mit Ihnen nicht diskutieren, weil ich befangen bin", sagte ich der Leserin in der Leitung und bot ihr an: "Aber alles, was sie sagen und kritisieren wollen, schreibe ich auf und gebe es an die zuständigen Kollegen in unserem Haus weiter." Mit dieser Reaktion hatte ich jedoch nicht gerechnet: "Oh Gott", sagte die Anruferin und fügte hinzu: "Ich wollte keine alten Wunden aufreißen, ganz bestimmt nicht, tut mir leid, sie können mich auch mit einem Redakteur, der für diese Artikel zuständig ist, verbinden, dann müssen wir gar nicht über dieses Thema sprechen." Soweit wollte ich dann doch nicht gehen, schließlich sollte es mir doch gelingen, die aus meiner Befangenheit resultierenden Befindlichkeiten und Gefühle in den Griff zu kriegen. Also sagte ich: "Das ist nicht nötig, fangen Sie einfach mal an. Was genau stört Sie denn an 'Wir heiraten', dem Hochzeitsmagazin unserer Zeitung?"
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