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Wie schade: Millionen für den Papierkorb

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Innerhalb meiner Einordnungen für die Gespräche mit Lesern habe ich für diese Art der Anliegen, weswegen mich Leute anrufen, noch keine passende Rubrik gefunden, weshalb ich es einfach mal wieder ausschreibe: "Ich brauche mal Ihren Rat", sagte heute eine Leserin, die sich mir zuerst vorgestellt und dabei betont hatte, dass sie über achtzig sei und jeden Tag die Zeitung von vorne bis hinten und Zeile für Zeile durchlese. Aber es gehe ihr weder um einen Artikel, noch um ein in der Zeitung behandeltes Thema. "Ich weiß nicht, was ich tun soll", fügte sie hinzu, bevor wir dann gemeinsam zum Kern der Sache vordringen konnten. Das Gespräch im Wortlaut:

"Ich habe 13,5 Millionen Dollar geerbt."
"Herzlichen Glückwunsch, das ist verdammt viel Geld."
"Noch lange kein Grund zu fluchen, junger Mann."
"Entschuldigung."
"Eine Anwältin aus Spanien hat mir einen Brief geschrieben und mir die Modalitäten erklärt, wie ich zu dem Geld komme."
"Warum Spanien?"
"Das weiß ich auch nicht, kann ich mir nicht erklären."
"Haben Sie Freunde oder Verwandte in dem Land, von denen jemand gestorben sein könnte?"
"Nein. Ich bin nie aus dem Erzgebirge fortgekommen, meine Verwandtschaft beschränkt sich auf den Sohn meiner verstorbenen Schwester, der in der Oberlausitz wohnt; aber wir haben keinen Kontakt mehr miteinander."
"Das ist schade."
"Finde ich auch."
"Was schreibt die Anwältin denn?"
"Das Geld liegt offensichtlich in einem Bankschließfach, für das sie den Schlüssel hat, aber sie braucht eine Vollmacht von mir, damit sie es auch öffnen darf."
"Und Sie will Ihnen das Geld  dann mit der Post zuschicken?"
"Kann ich mir nicht wirklich vorstellen, doch über die Einzelheiten will sie noch mit mir am Telefon reden."
"Sie sollen ihr also eine unterschriebene Vollmacht schicken?"
"Hören Sie mir eigentlich zu, junger Mann? Ich habe gesagt, dass sie will, dass ich sie anrufe, nicht schreiben und nichts schicken."
"Entschuldigung."
"Ist schon gut. Aber was soll ich denn jetzt machen? Vielleicht spricht sie nur spanisch, und dann stehe ich da und weiß nicht ..."
"Internet haben Sie nicht zufällig."
"Bitte was?"
"Internet. Einen Computer, mit dem Sie ins Netz können."
"Nein, habe ich nicht. Ein Radio habe ich, keinen Fernseher mehr, der alte ist vor ein paar Monaten kaputt gegangen, ich habe noch keinen neuen gekauft, obwohl ... eigentlich brauche ich auch keinen."
"Lesen mit doch bitte mal die Nummer vor?"
"Die vom Radio?"
"Nein, die Telefonnummer von der Anwältin in Spanien."
"Ach so, Augenblick mal, ich muss erst meine Brille suchen. So, jetzt können Sie mitschreiben."
"Ich tippe sie gleich mal in die Suchmaschine."
"Wie bitte?"
"Ich habe nur mit mir selbst gesprochen, Entschuldigung."
"Und, können Sie etwas anfangen damit?"
"Klare Sache: Ab in den Papierkorb damit?"
"Die Nummer?"
"Nein, den ganzen Brief; er ist nicht mal das Papier wert, auf dem er schrieben steht."
"Warum?"
"Es gibt hier eine Warnung?"
"Von wem?"
"Das weiß ich nicht, ist aber auch nicht wichtig. Klar ist wohl: Wenn Sie dort anrufen, landen Sie in einer Warteschleife und zahlen für jede Minute mehrere Euro an Gebühr fürs Telefonieren."
"Ich fass es nicht, sind Sie ganz sicher?"
"Hundertprozentig wohl nicht, aber zumindest so sicher, wie Sie wissen, dass Sie niemanden in Spanien kennen."
"Hm, also schon sehr sicher, obwohl, mir kommt da gerade ein Gedanke. Mein vor 17 Jahren verstorbener Mann war früher viel auf Montage, allerdings kann ich mich erinnern, ob er jemals im Ausland oder gar in Spanien war und ob er ..."
"Sie meinen, er könnte ..."
"Gott behüte, daran will ich jetzt nicht einmal denken."
"Also, schmeißen Sie den Brief weg und vergessen Sie die 13,5 Millionen Dollar."
"Das fällt mir aber schon ein bisschen schwer."
"Ich weiß, aber Geld allein macht bekanntlich nicht glücklich."
"Das sagen Sie."
"Und ich weiß, wovon ich spreche."
"Wie meinen Sie das?"
"Leider fehlt mir die Zeit, ihnen das jetzt näher zu erklären, denn das Telefon blinkt schon wieder, ich muss die Leitung mal für den nächsten Anrufer freimachen. Aber rufen Sie mich in nächster Zeit einfach noch mal an?"
"Das mache ich. Kennen Sie sich eigentlich auch mit den Rundfunkgebühren aus? Auf meinem Kontoauszug stand nämlich jetzt ein viel höherer Betrag als sonst."
"Rufen Sie mich an."
"Schade, ich hätte gerne noch etwas geplaudert, ich habe sonst eher selten jemanden, mit dem es sich so schön reden lässt."

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