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Ein starkes Gefühl, ich stehe dazu

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Diesmal beginne ich mit einer Bitte: Jeder möge sich, bevor er diesen Blogeintrag liest, an einen Film erinnern, dessen Ende ihn (mehr oder weniger intensiv) zu Tränen gerührt hat; nur Mut, es kriegt ja niemand mit. Mir selbst fällt dazu gerade "Million Dollar Baby" ein, den ich erst kürzlich wieder mal gesehen habe, und obwohl ich das Ende kannte, rührte es mich zutiefst, als Clint Eastwood mit Tränen in den Augen der gelähmten Hilary Swank das Sterben ermöglicht, weil er den Beatmungsschlauch löst und ihr eine Überdosis Adrenalin spritzt. Ein ähnlich starkes Gefühl habe ich heute nach dem Gespräch mit einer Leserin empfunden; ich schäme mich nicht dafür, ich stehe dazu.

"Ich habe ein Frage zu einem Beitrag, der gestern in Ihrer Zeitung stand", sagte die Anruferin und nannte mir die Überschrift des Artikels und die Seite: "Millionär baut die Titanic II" auf "Aus aller Welt". Ihr Anliegen sei, sagte sie mit eher leiser, verhaltener Stimme, dass sie mich fragen möchte, ob ich ihr helfen kann, mit diesem amerikanischen Geschäftsmann, der das vor 101 Jahren gesunkene Schiff nachbauen will, Kontakt aufzunehmen oder ob ich ihr zumindest die Telefonnummer der Autorin dieses Artikels besorgen könne, damit sie dort um weitere Hilfe nachfragen kann. Natürlich dachte ich sofort an das Internet und die Suchmaschine, doch zuvor wollte ich meine Neugier befrieden und habe die Anruferin gefragt: "Warum wollen sie mit diesem reichen Amerikaner sprechen?" Die Frau in der Leitung hat mir daraufhin ihre Geschichte erzählt, ausführlich minutenlang, ich will sie in nur wenigen Zeilen zusammenfassen:

"Mein Mann hat die Titanic als Modell nachgebaut", sagte sie und berichtete von unzähligen Stunden über viele Monate hinweg, die ihr Gatte sich zurückgezogen und an dem Schiff gebastelt habe; eine konkrete Bauanleitung habe er nicht gehabt, als Vorlage für die filigranen Arbeiten habe er sich nur viele Bilder von dem gesunkenen Luxusliner besorgt. "Sie würden staunen, wie echt das alles aussieht, obwohl es sich nur um ein etwa 70 Zentimeter langes Modell handelt", erzählte sie mir, und ich konnte nachfühlen, weil in diesen Moment die Stimme der Frau, von Stolz erfüllt, deutlich freudiger klang als vorher, was ihr diese Aussage bedeutet, wie nahe ihr diese Mitteilung an mich geht. "Nun steht es auf dem Schlafzimmerschrank und verstaubt, und ich dachte, dass vielleicht dieser Amerikaner ein Interesse daran haben könnte", sagte die Frau, und ich nahm wahr, dass ihr das Sprechen nicht mehr so leicht viel, sie machte längere Pausen zwischen den Wörtern, ich hörte sie deutlich aus- und einatmen, bevor sie mir sagte: "Mein Mann ist vor kurzem gestorben."

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