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Von Graden, Zügen, Dämonen und Briefen
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Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht, zuerst die weniger erfreulichere: Leider ist es mir trotz großer Bemühungen nicht gelungen, bei den Gesprächen mit Lesern heute zwischen zehn und zwölf einen gemeinsamen Nenner zu finden, der es mir erlauben würde, hier auf eine mehr oder weniger unterhaltsame Weise darüber berichten, was bedeuten würde, dass ich an dieser Stelle eigentlich schon am Ende meines Blogeintrags angekommen wäre. Doch dies ist die gute Nachricht:
Episode 1: "Was ist eigentlich aus Henriette Schmidt geworden?" fragte mich die erste Leserin um kurz nach zehn, und weil ich mir nicht die Blöße geben wollte, nichts über diese Frau zu wissen, habe ich kurzerhand den Namen in die Suchmaschine eingeben und gleich mit dem ersten Treffer den gewünschten Erfolg erzielt: "Sie meinen die MDR-Moderatorin?" Zwei Minuten später war die Anruferin erleichtert, dass ihre Lieblingssprecherin doch nicht gestorben war, wie sie vermutet hatte, sondern künftig nur eine andere Sendung moderiert.
Episode 2: "In der Wettervorhersage auf der ersten Seite steht für zehn Uhr eine Temperatur von drei Grad, aber als ich gerade vorhin auf das Thermometer, das an der Nordwand des Hauses hängt und also im Schatten liegt, geschaut habe, waren es bereits acht Grad, können Sie mir das mal erklären?" wollte ein Leser um 10.14 Uhr von mir wissen. Meine Antwort, in der ich ihm das Phänomen der sich kurzfristig auch mal über Nacht sich ändernden Wetterlagen erklärte habe, hat ihn nicht zufrieden gestellt, denn er meinte, die Zeitung möge sich nach einem anderen Wetterfrosch umschauen, doch er fühlte sich besser, weil er mit mir darüber gesprochen hatte. Woher ich das weiß? Ich habe ihn gefragt.
Episode 3: "Der letzte Zug von Chemnitz aus ins Erzgebirge fährt um kurz nach zehn ab, weshalb ich immer mit dem Auto fahren muss, wenn ich mal ins Opernhaus will. Können Sie mal nachhaken, ob sich da nicht was machen lässt und eine weitere Verbindung eine Stunde später in den Fahrplan mit aufgenommen wird?" formulierte ein Leser seine Bitte und fand meinen Vorschlag, den ich ihn mit dem Verweis auf meine aktuelle Kolumne auf der Seite Leserforum gemacht habe, doch mal seinen Bundestagsabgeordneten deswegen anzurufen, wirklich gut, denn er meinte: "Dann kann ihm auch gleich mal von dem Zustand der Straßen hier bei uns berichten."
Episode 4: Der vierte Anrufer beanspruchte nur wenige Sekunden meiner Zeit, und das kam so: "Ich glaube an den Himmel und an Engel, an Dämonen und die Mächte der Finsternis. Ich würde mich gern mit Ihnen über dieses Thema unterhalten, hätten Sie Interesse daran?", fragte mich eine tiefe männliche Stimme. Weil ich ein höflicher Mensch bin, habe ich noch gefragt, ob ich ehrlich sein darf bei meiner Antwort; nicht weniger freundlich hat sich der Mann nach meinem Nein von mir verabschiedet.
Episode 5: "Ich habe vor kurzem in Chemnitz eine Aufführung des Tannhäuser gesehen, ich kann Ihnen sagen: Das war ein Erlebnis. Nur habe ich mich sehr darüber gewundert, dass das Opernhaus gerade einmal zu Hälfte gefüllt war. Nun wollte ich mal mit jemandem darüber reden, warum das wohl so war, und da sind Sie mir eingefallen", sagte eine Leserin, und wir haben ebenso angeregt wie ergebnisoffen über dieses Thema geredet, denn ich habe aus meiner Grundhaltung kein Geheimnis gemacht: Mit Wagner habe ich so meine Probleme, musikalisch und weltanschaulich.
Episode 6: "Das Monopol ist an allem schuld, mir geht der Kapitalismus so was von auf die ...", sagte ein Leser, der mich eigentlich nur angerufen hatte, weil er wissen wollte, wie er am besten aus dem Vertrag mit seinem TV-Kabelanbieter kommt; wo er wohnt, gibt es nämlich nur den einen.
Episode 7: "Ich habe einen offenen Brief an den Landrat geschrieben, aber ihre Kollegen in der Lokalredaktion weigern sich, ihn abzudrucken", beschwerte sich ein Anrufer bei mir. In dem Schreiben gehe es um Windkraftanlagen und Klimaschutz, fügte er noch hinzu, er würde darin von der Kreisbehörde ein radikales Umdenken fordern. "Und die Redaktion will auf dieses Thema nicht eingehen?", fragte ich den Mann in der Leitung. "Doch, das schon", sagte der Leser, da seien die Redakteure schon entgegenkommend gewesen und hätten mit ihm darüber gesprochen. "Doch ich möchte den offenen Brief in der Zeitung lesen, komplett und wortwörtlich", erklärte er mir weiter. Es war zwar ein anstrengendes, aber doch konstruktives Gespräch; bis zu dem Zeitung, als ich dem Anrufer vorschlug, seinen offenen Brief als Anzeige zu veröffentlichen. Das fand er nämlich gar nicht lustig, ich hatte es aber auch nicht so gemeint.
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