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Die Sache mit den Katzen und Vögeln

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Niemand von meinen Kollegen, die gestern dabei waren, kann sagen: Aber wir wussten doch gar nicht, was wir tun. Denn schon im selben Moment, als feststand, dass der Artikel "Experte fordert Katzensteuer zum Schutz der Vögel" heute in der Zeitung steht, waren sich alle Redakteure einig: "Klare Sache: Ein Fall für den Leserobmann", brachte es eine flüsternde Stimme in meiner unmittelbare Nähe am großen Tisch im Newsdesk der "Freien Presse" zum Ausdruck. Und sie sollte Recht behalten: Fast 20 Katzenliebhaber haben sich heute an mich gewandt, um mir mit mehr oder weniger drastischen Worten zu sagen, was sie von einer Steuer für Stubentiger zum Schutz der gefiederten Freunde halten: Gar nichts.

Zwei wesentliche Kernaussagen habe ich gehört.

Erstens: In den meisten südeuropäischen Ländern ist die Jagd auf Vögel (Sing- ebenso wie Greifvögel) nicht nur erlaubt, sondern wird geradezu häufig als Freizeitbeschäftigung angesehen oder dient dazu, vermeintliche Leckerbissen auf die Teller von Gourmetrestaurants zu bringen; und scheinbar niemand tut etwas dagegen.

Zweitens: Weil der Mensch immer mehr Platz für sich in Anspruch nimmt und diesen der Natur abringt, werden den Vögeln zunehmend der natürliche Lebensraum und die Möglichkeiten genommen, ausreichend Nahrung zu finden, weshalb der zahlenmäßige Rückgang und die Gefährdung von Arten vor allem hier ihre eigentliche Ursachen haben.

Nun war ich mit allen Anrufern und Mailschreibern einer Meinung, diskutiert oder gar gestritten habe ich nicht mir ihnen, was die Gespräch auch angesichts der Vielzahl und des emotionalen Engagements der Leser für mich eher leicht gemacht hat. Wenn mich nicht dieser Punkt gereizt und ich die Leute in der Leitung darauf angesprochen hätte:

"Als ich den Text zum ersten Mal gelesen habe, war ich mir ganz sicher: Diesen Mann und diesen Vorschlag kann man nicht wirklich ernst nehmen, weshalb es sich auch nicht lohnt, sich darüber aufzuregen", habe ich den Lesern immer gesagt, um ihnen, wenn der geballte Ärger mir entgegenschlug, schon gleich zu Anfang etwas den Wind aus den Segeln zu nehmen. Meistens ist mir das auch gelungen, aber etwa die Hälfte der Anrufer hat zurückgefragt: "Aber warum drucken Sie denn überhaupt solch einen Sch...", formulierte es eine Leserin.

Zwei Argumente hatte ich.

Erstens: Der Ornithologe, der diesen Vorschlag in die Welt gesetzt hat, ist ein anerkannter Wissenschaftler und hat sich als langjähriger Leiter der Vogelwarte am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell einen Namen als Vogelschützer gemacht; seine Idee, auch wenn sie in fremden Ohren höchst abwegig klingt, verdienst es, ernst genommen und in diesem Sinn auch durchleuchtet und bewertet zu werden.

Zweitens: Meiner Ansicht nach gehört es zu den journalistischen Grundaufgaben einer Zeitung, mit außergewöhnlichen Meinungen zu polarisieren und auf diesem Weg eine Diskussion loszutreten, die mitunter dann dazu führen kann, dass möglichst viele Aspekte rund um dieses Thema angeführt, auf ihre Bedeutung untersucht und sogar als Anstoß für kleinere und größere Veränderungen herangezogen werden können, wodurch Missstände, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht als solche erkannt oder deren Stellenwert unterschätzt worden sind, beseitigt werden.

Und die Moral von der Geschichte, heute gibt es ausnahmsweise mal eine: Ist die Katze aus dem Haus, fliegen die Vögel höher als sonst; das Leben kann so einfach sein.

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