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Guter Sex oder die Frage: Welcher Fall?

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Den Gegner mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, ist ein ebenso legitimes wie auch beliebtes Mittel, bei einer Auseinandersetzung aufgrund unterschiedlicher Positionen seine eigene durchzusetzen und seinen Gegenüber nach Möglichkeit mit seiner bloßzustellen. Diese Erkenntnis begleigtet mich seit genau drei Jahren (Nur mal so am Rande: Am 14. August 2010 erblickte der Leserobmann der "Freien Presse" auf der Titelseite der Zeitung das journalistische Licht der Welt), und ich gebe mir die größte Mühe, mein eigenes Repertoire innerhalb dieser Taktik ständig zu erweitern, weil mir dies den Umgang mit den Lesern erleichtert. Vor zwei Wochen kam mir eine Idee, heute durfte ich sie das erste Mal in die Tat umsetzen. Und das kam so:

"Es geht mir um den Text neben dem Mauerbild auf der Titelseite von heute", sagte eine Leserin und bat mich, nachdem ich mir den Text auf den Bildschirm geholt hatte, die ersten drei Sätze durchzulesen und ihr dann zu sagen, ob mir daran etwas aufgefallen ist. Ich tat das eine und las:

"Was passiert da hinter der Mauer? Touristinnen aus der Schweiz schauten sich gestern in Berlin die Gedenkstätte Berliner Mauer an. Dort wurde mit einer Kranzniederlegung an den Mauerbau 1961 erinnert und den Opfern des DDR-Grenzregimes gedacht."

Dann tat ich das andere und sagte: "Also wenn ich ehrlich sein soll, dann fällt mir nichts auf, aber wenn ich bedenke, dass Sie mich nicht danach fragen würden, wenn es da nichts gäbe, was mit auffallen müsste, dann kommen mir Zweifel, und ich bin verunsichert; das gefällt mir nicht, also wäre es schön, wenn Sie mir sagen, ob hier etwas falsch ist."

Zwischenbemerkung: Wer diesen Blogeintrag liest, möge doch kurz selbst darüber nachdenken, ob ihm an diesen Zeilen etwas auffällt, weil mir dies das Gefühl geben würde, mit meinen Selbstzweifeln besser umgehen zu können.

"Also gut", sagte die Anruferin, "dann fange ich noch mal von vorne an und möchte Ihnen eine Buchempfehlung geben." An dieser Stelle war ich mir sicher, dass ich es mit einer Historikern zu tun hatte und dass ich jetzt von einem Buch erfahren würde, das ich unbedingt lesen müsse, damit mir solch ein Fauxpas nicht noch einmal passiert; allerdings staunte ich in diesem Augenblick auch nicht schlecht, dass in diesen wenigen Zeilen eine falsche historische Information enthalten sein sollte. Das tat es auch nicht, denn die Frau in der Leitung sagte: "Der Titel lautet 'Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod', und der Autor heißt Bastian Sick."

Innerhalb weniger Sekunden habe ich die Zeilen erneut gelesen und sofort, weil die Anzahl der Möglichkeiten sehr begrenzt ist, den Fehler gefunden, den ich zuvor als solchen nicht erkannt hatte, denn das Verb "gedenken" verlangt nach dem Genitiv, weshalb es "der Opfer" heißen muss. Die Frau hatte Recht, aber was sie nicht wusste: Seit zwei Wochen hatte ich genau auf diesen Augenblick gewartet. Und ich erwiderte, nachdem ich den falschen Fall eingestanden und versprochen hatte, die Kollegen in der Redaktion darüber zu informieren: "Darf ich Ihnen auch ein Buch ans Herz legen?"

Nun machte die Leserin kein Geheimnis daraus (ein "huch!", verbunden mit einem tiefen Einatmen, konnte ich hören), erstaunt zu sein, aber sie sagte: "Na klar, nur zu." Also gab ich die Information weiter: "Das Buch trägt den Titel 'Der Genetiv ist dem Streber sein Sex', und der Autor heißt Markus Barth."  Die Frau schwieg, dachte wohl über die Bedeutung dieses Satzes und die Relevanz für sie nach, und ich machte mir schon Sorgen, ihr zu nahe getreten zu sein, als ich plötzlich ein Lachen hörte, bevor sie nur noch ein Wort hinzufügte: "Touché."

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